Die Rückkehr des Drachen
Werkstatt.
Hier trugen auch mehr Männer Jacken und enge Hosen wie die Soldaten, wenn auch in leuchtenderen Farben und ohne Rüstung. Ein paar hatten sogar Schwerter an der Seite. Keiner von ihnen lief barfuß, nicht einmal die in Pumphosen. Die Kleider der Frauen waren länger und tief ausgeschnitten und zeigten bloße Schultern und einiges vom Busen. Man sah nicht nur Wollstoffe, sondern auch häufig Seide. Das Meervolk handelte sehr viel mit Seide, und dieser Handel lief eben über Tear. Man sah nun auch genauso viele Sänften und Pferdekutschen wie Ochsengespanne und Planwagen. Und doch sah man auch hier auf zu vielen Gesichtern die gleiche Resignation.
Neben der Schenke, die Lan auswählte, dem ›Stern‹, stand auf der einen Seite eine Weberwerkstatt und auf der anderen eine Schmiede. Beide waren durch enge Gassen von der Schenke getrennt. Die Schmiede war aus unverputztem, grauen Stein erbaut, das Haus des Webers und die Schenke dagegen aus Holz, obwohl der ›Stern‹ vier Stockwerke hoch war und auch noch kleine Fenster im Dach hatte. Das Rasseln der Webstühle wetteiferte mit dem Klingen des Schmiedehammers nebenan. Sie übergaben ihre Pferde Stallburschen, die ihre Tiere nach hinten brachten, und traten in die Schenke ein. Aus der Küche kam der Geruch nach Fisch, der dort gebacken und vielleicht auch gekocht wurde, und der Duft von Hammelbraten. Die Männer im Schankraum trugen sämtlich die engen Jacken und weiten Hosen. Perrin glaubte auch nicht, daß reichere Männer, wie die in den bunten Jacken mit Puffärmeln, und Frauen wie die mit den bloßen Schultern und den Seidengewändern, diesen Lärm hier in Kauf nehmen würden. Vielleicht hatte Lan deshalb diese Schenke ausgewählt.
»Wie sollen wir denn bei diesem Lärm schlafen?« knurrte Zarine.
»Keine Fragen!« sagte er lächelnd. Einen Augenblick lang glaubte er, sie würde ihm die Zunge herausstrecken. Der Wirt war ein rundlicher Mann mit Halbglatze. Er trug eine lange, dunkelblaue Jacke und diese weiten Pumphosen. Beim Verbeugen faltete er die Hände über seinem vorstehenden Bauch. Sein Gesicht wirkte erschöpft und resignierend. »Das Licht leuchte Euch, gute Frauen. Willkommen«, seufzte er. »Das Licht leuchte Euch, gute Herren, und willkommen auch Euch.« Er fuhr beim Anblick von Perrins gelben Augen leicht zusammen und wandte sich dann mit müdem Blick Loial zu. »Das Licht leuchte Euch, Freund Ogier, und willkommen. Es ist ein Jahr oder länger her, daß ich einen von Euch in Tear gesehen habe. Irgendeine Arbeit am Stein. Sie wohnten natürlich im Stein, aber ich traf sie eines Tages auf der Straße.« Er schloß mit einem weiteren Seufzer. Offensichtlich brachte er nicht einmal die Neugier auf, Loial zu fragen, warum ein anderer Ogier nach Tear gekommen sei, oder überhaupt, warum sie alle sich hier aufhielten.
Der Mann mit der Halbglatze, der Jurah Haret hieß, führte sie persönlich in ihre Zimmer. Offenbar waren Moiraine mit ihrem Seidenkleid und dem verborgenen Gesicht und Lan mit seinen harten Gesichtszügen und dem Schwert für ihn eine Lady mit ihrem Leibwächter und somit seiner persönlichen Aufmerksamkeit wert. Er hielt Perrin ganz eindeutig für einen Diener, und bei Zarine war er sich ebenso eindeutig unsicher. Das paßte ihr wiederum gar nicht. Loial schließlich war doch einfach ein Ogier. Er rief Männer herbei, die für Loial zwei Betten zusammenschoben, und er bot Moiraine ein eigenes Speisezimmer an, falls sie das wünsche. Sie nahm sein Angebot dankend an.
Sie hielten sich zusammen, so daß sie eine kleine Prozession durch die oberen Räume bildeten, bis Haret sich verbeugte und seufzend ging. Er verließ sie dort, wo er begonnen hatte, nämlich vor der Tür zu Moiraines Zimmer. Die Wände waren weiß getüncht, und Loials Kopf streifte die Decke des Flurs.
»Was für ein anrüchiger Geselle«, knurrte Zarine und wischte sich zornig mit beiden Händen den Staub von ihrem Hosenrock. »Ich glaube fast, er hat mich für Eure Zofe gehalten, Aes Sedai. Das lasse ich mir nicht gefallen!«
»Hütet Eure Zunge«, sagte Lan leise. »Wenn Ihr diesen Namen in Hörweite anderer gebraucht, werdet Ihr es bereuen, Mädchen.« Sie schien etwas entgegnen zu wollen, aber sein eisigblauer Blick brachte ihre Zunge diesmal zum Schweigen und kühlte wohl sogar ihren Zorn ab.
Moiraine beachtete die beiden nicht. Sie blickte ins Nichts und verkrampfte ihre Hände dabei in ihren Umhang, als wolle sie sich die Hände daran abwischen.
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