Die Rückkehr des Drachen
gleichzeitig blicken zu wollen, aber ohne daß es jemand bemerkte. Die Falten in seinem Gesicht traten stärker hervor, wenn er sich konzentrierte.
»Hurin«, sagte Egwene, und Nynaeve nickte. Sie ließen ihre Pferde langsamer voranschreiten und die Trage holte auf. Verin zockelte vornweg.
»Fühlst du etwas, Hurin?« fragte Nynaeve. Elayne hob den mit einem Mal eindringlichen Blick von Mats Bahre.
Als alle drei ihn anblickten, rutschte der hagere Mann im Sattel hin und her und rieb sich einen Flügel seiner langen Nase. »Schwierigkeiten«, sagte er lakonisch und gleichzeitig zögernd. »Ich glaube, wir... bekommen Schwierigkeiten.«
Er hatte für den König von Schienar Diebe aufspüren müssen und trug nicht den üblichen Haarknoten der schienarischen Krieger, doch das kurze Schwert und der Schwertbrecher an seinem Gürtel waren alt und abgenützt. Jahre der Erfahrung schienen ihm das Talent verliehen zu haben, Übeltäter aufzuspüren, besonders solche, die Gewalt angewandt hatten.
Zweimal hatte er sie auf ihrer Reise angewiesen, ein Dorf wieder zu verlassen, obwohl sie sich erst weniger als eine Stunde lang dort aufhielten. Beim erstenmal hatten sich alle geweigert, weil sie zu müde waren, doch bevor die Nacht vorüber war, hatten der Wirt und zwei andere Männer aus dem Dorf versucht, sie in ihren Betten zu ermorden. Das waren nur einfache Diebe und keine Schattenfreunde gewesen. Sie wollten lediglich ihre Pferde und alles das stehlen, was sie in den Satteltaschen und Bündeln hatten. Aber der Rest des Dorfes wußte Bescheid und betrachtete offensichtlich Fremde als legitime Beute. Sie waren gezwungen gewesen, vor einem mit Axtstielen und Mistgabeln bewaffneten Mob zu fliehen. Beim zweitenmal gab Verin sofort den Befehl weiterzureiten, als Hurin seinen Rat ausgesprochen hatte.
Doch der Spürhund des schienarischen Königs war immer vorsichtig in seinen Äußerungen seinen Begleiterinnen gegenüber. Nur bei Mat nicht, damals, als Mat noch sprechen konnte. Da hatten die beiden miteinander gescherzt und Würfel gespielt, wenn die Frauen nicht gerade in der Nähe waren. Egwene glaubte, er fühle sich so allein einfach nicht wohl bei einer Aes Sedai und drei Frauen, die sich auf diese Rolle vorbereiteten. Manchen Männern fiel es leichter, in einen Kampf zu gehen, als einer Aes Sedai gegenüberzustehen.
»Welche Art von Schwierigkeiten?« fragte Elayne.
Sie sprach leichthin, doch ihre Stimme klang so zwingend, verlangte so eindeutig nach einer schnellen und klaren Antwort, daß Hurin den Mund öffnete: »Ich rieche... « Er brach ab und blinzelte überrascht. Sein Blick wanderte unstet von einer Frau zur anderen. »Nur ein Gefühl«, sagte er schließlich. »Eine... Vorahnung. Ich habe gestern und heute Spuren gesehen. Eine Menge Pferde. Zwanzig oder dreißig in der einen Richtung und zwanzig oder dreißig, die in die entgegengesetzte Richtung ritten. Das macht mich stutzig. Das ist alles. Nur ein Gefühl. Aber ich sehe Schwierigkeiten kommen.«
Spuren? Egwene hatte sie nicht bemerkt. Nynaeve sagte in scharfem Ton: »Ich habe daran nichts Beunruhigendes entdecken können.« Nynaeve war stolz darauf, eine ebenso gute Kundschafterin zu sein wie die besten unter den Männern. »Sie waren bereits mehrere Tage alt. Wieso glaubt Ihr, daß es von daher Schwierigkeiten geben könnte?«
»Ich glaube es einfach«, sagte Hurin bedächtig, als wolle er eigentlich mehr sagen. Er senkte den Blick, rieb sich die Nase und atmete tief ein. »Es ist lange her, daß wir durch ein Dorf kamen«, brummte er. »Wer weiß, welche Nachrichten aus Falme uns bereits voraneilen? Wir erhalten vielleicht kein so herzliches Willkommen, wie wir es erwarten. Ich glaube, diese Männer könnten Räuber und Mörder sein. Wir müssen aufpassen, denke ich. Wenn Mat auf den Beinen wäre, würde ich den Weg voraus erkunden, aber vielleicht ist es das beste, wenn ich Euch nicht allein lasse.«
Nynaeve zog die Augenbrauen hoch. »Glaubt Ihr, wir können nicht auf uns selbst aufpassen?«
»Die Eine Macht bringt Euch nichts, wenn jemand Euch tötet, bevor Ihr sie anwenden könnt«, sagte Hurin in Richtung seines hochgezogenen Sattelhorns. »Verzeiht mir, aber ich glaube, ich... werde eine Weile bei Verin Sedai vorn mitreiten.« Er ließ sein Pferd die Fersen spüren und galoppierte nach vorn, bevor eine von ihnen etwas sagen konnte.
»Das ist ja eine Überraschung«, sagte Elayne, als Hurin sein Pferd dicht bei der Braunen Schwester verhielt.
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