Die Rückkehr des Drachen
Verin schien ihn genausowenig zu bemerken wie alles um sie herum, und er schien es zufrieden. »Er hat sich immer so weit wie möglich von Verin ferngehalten, seit wir die Toman-Halbinsel verließen. Er sieht sie immer an, als fürchte er, was sie sagen könnte.«
»Die Aes Sedai zu respektieren heißt noch lange nicht, daß er keine Angst vor ihnen hat«, sagte Nynaeve und fügte dann zögernd hinzu: »Vor uns.«
»Wenn er glaubt, daß es Schwierigkeiten geben könnte, sollten wir ihn als Kundschafter losschicken.« Egwene atmete tief durch und sah die beiden anderen Frauen so ruhig wie möglich an. »Wenn es zu einer Auseinandersetzung kommt, können wir uns selbst besser verteidigen als er, und wenn er hundert Soldaten dabei hätte.«
»Das weiß er aber nicht«, sagte Nynaeve unnachgiebig, »und ich werde es ihm auch nicht auf die Nase binden. Auch sonst niemandem.«
»Ich kann mir vorstellen, was Verin davon hielte.« Elayne hörte sich ängstlich an. »Ich wünschte, ich hätte eine Ahnung, wieviel sie tatsächlich weiß. Egwene, ich weiß nicht, ob meine Mutter mir helfen könnte, wenn die Amyrlin alles herausfände, und euch beiden noch weniger.
Oder ob sie es überhaupt versuchen würde.« Elaynes Mutter war die Königin von Andor. »Sie selbst konnte nur ein klein wenig von der Anwendung der Macht lernen, bevor sie die Weiße Burg verließ, auch wenn sie danach so lebte, als sei sie eine der Schwestern.«
»Wir können nicht auf Morgase hoffen«, sagte Nynaeve. »Sie ist in Caemlyn, und wir werden bald in Tar Valon sein. Nein, wir dürften schon genug Schwierigkeiten bekommen, weil wir uns unerlaubt davonschlichen, gleich, was wir mit zurückbringen. Es ist das beste, wenn wir uns unauffällig verhalten und demütig tun. Wir dürfen nicht mehr Aufmerksamkeit erregen, als wir schon haben.«
Ein andermal hätte Egwene über die Vorstellung gelacht, Nynaeve könne Demut vorgeben. Selbst Elayne brachte das noch besser fertig. Doch zur Zeit war ihr nicht nach Lachen zumute. »Und wenn Hurin recht hat? Wenn wir angegriffen werden? Er kann uns nicht gegen zwanzig oder dreißig Mann beschützen, und wenn wir darauf warten, daß Verin etwas unternimmt, sind wir wohl tot. Du hast gesagt, du fühltest einen Sturm kommen, Nynaeve.«
»Tatsächlich?« sagte Elayne. Rotgoldene Locken flogen, als sie den Kopf schüttelte. »Es wird Verin nicht gefallen, wenn wir...« Sie ließ die Worte verklingen. »Ob es Verin gefällt oder nicht - wir müssen es vielleicht tun.«
»Ich werde alles Notwendige tun«, sagte Nynaeve in scharfem Tonfall, »falls etwas zu tun ist. Und ihr beiden werdet wegrennen, wenn es notwendig wird. Die Weiße Burg mag ja von euren Fähigkeiten begeistert sein, aber glaubt ja nicht, daß sie euch keiner Dämpfung unterziehen werden, wenn die Amyrlin oder der Rat es für notwendig halten.«
Elayne hatte daran schwer zu schlucken. »Wenn sie uns deswegen einer Dämpfung unterziehen«, sagte sie mit schwacher Stimme, »dann bist du auch dran. Wir sollten gemeinsam wegrennen oder gemeinsam handeln. Hurin hat auch zuvor schon recht behalten. Wenn wir überleben wollen, damit wir in der Burg in Schwierigkeiten kommen können, müssen wir wohl... das Notwendige tun.«
Egwene schauderte. Von Saidar abgeschnitten zu werden, der weiblichen Hälfte der Wahren Quelle. Wenigen Aes Sedai nur war diese Strafe zuteil geworden, und doch gab es Handlungen, die in der Burg durch die Dämpfung bestraft wurden. Von den Novizinnen verlangte man, daß sie die Namen aller Aes Sedai auswendig lernten und auch ihre Verbrechen natürlich, die so bestraft worden waren.
Sie spürte ständig die Quelle, gerade jenseits ihrer bewußten Wahrnehmungen, so wie sie die Sonne fühlte, die zu Mittag von hinten auf ihre Schultern brannte. Obwohl sie oftmals ins Leere griff, wenn sie Saidar berühren wollte, hatte sie immer den Wunsch, die Quelle zu erreichen. Je mehr sie Saidar berührte, desto stärker wurde auch der Wunsch danach, die ganze Zeit über, ganz gleich, was Sheriam Sedai, die Aufseherin über die Novizinnen, von den Gefahren erzählte, wenn man sich zu sehr nach dem Gefühl der Einen Macht sehnte. Davon abgeschnitten zu werden, immer noch fähig, Saidar zu spüren, es aber nie mehr berühren zu können...
Die anderen schienen bei dem Gedanken auch nicht gesprächiger zu werden.
Um ihr Zittern zu verbergen, beugte sie sich hinunter zu der sanft schaukelnden Trage. Mats Decken waren verrutscht und hatten den Blick
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