Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rückkehr des friedvollen Kriegers

Die Rückkehr des friedvollen Kriegers

Titel: Die Rückkehr des friedvollen Kriegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
Vom Netzwerk:
Augenblick geht es mir hauptsächlich darum, dir klarzumachen, daß die Welt immer nur die Bewußtseinsebene widerspiegelt, auf der du dich befindest. Gleiches zieht Gleiches an – Menschen, die im ersten Stock zu Hause sind, fühlen sich zu der Musik, den Büchern, Filmen, Getränken, Nahrungsmitteln, Sportarten und so weiter hingezogen, die zum ersten Stockwerk gehören. Und das gilt auch für den zweiten und dritten Stock. Solange dein Bewußtsein nicht fest im vierten Stockwerk, im Herzen, ruht, sind letzten Endes alle deine Motive egoistisch. Du dienst nur dir selbst.«
    »Vielleicht hatte Socrates deshalb nie eine Tankstelle mit Selbstbedienung!« wagte ich einen Scherz.
    Mama Chia lachte amüsiert vor sich hin, und ich stellte meine nächste Frage: »Bin ich dann nach dem vierten Stockwerk nicht mehr so selbstbezogen?«
    »Bis zum siebten Stockwerk, wo das Ich sich auflöst, sind wir alle selbstbezogen, Dan. Die Frage ist nur, welches Ich, welches Selbst im Zentrum steht. Wenn du vom dritten zum vierten Stockwerk aufsteigst, dann wendest du dich ganz bewußt von der kindlichen Bedürftigkeit deines Basis-Selbst ab und höheren Motiven zu.«
    »Und was hat das alles mit diesem Ort hier zu tun?« forschte ich und wies auf den Gipfel, auf dem wir standen.
    »Gut, daß du mich danach fragst«, meinte sie. »Denn um über das dritte Stockwerk hinauszukommen, mußt du eines tun«, erklärte sie, während wir um einen Felsvorsprung herumgingen, und zeigte auf einen schmalen, ebenen, aber steinigen Weg, der nach etwa fünfundvierzig Metern endete.
    »Was soll ich tun?« fragte ich mißtrauisch.
    »Zuerst einmal geh diesen Weg entlang, so weit du kannst, und schau dir an, was es dort zu sehen gibt.«
    »Tür Nummer vier?«
    »Vielleicht«, antwortete sie.
    Vorsichtig ging ich den schmalen Bergrücken hinab, blieb aber dann abrupt stehen, als ich an den Rand eines Abgrunds kam – eines
gähnenden Abgrunds, so tief, daß ich unten nichts mehr erkennen konnte. Vor mir fiel der Felsen etwa sechshundert Meter tief senkrecht ab. Ich trat einen Schritt von dieser schwindelnden Höhe zurück und blickte über den Abgrund hinweg zur gegenüberliegenden Felswand hinüber, die etwa neun Meter entfernt war. Es sah aus, als sei der Gipfel von einem riesigen Messer in zwei Hälften geteilt worden.
    Plötzlich stand Mama Chia hinter mir und sagte: »Bei Socrates und durch deine Ausbildung als Sportler hast du eine gewisse Selbstbeherrschung gelernt. Einen starken Willen hast du sowieso schon, und ein großer Teil der Trümmer ist aus dem Weg geräumt. Da drüben ist die Tür.« Sie wies über den Abgrund hinweg auf einen kleinen Felsvorsprung – kaum mehr als eine Einkerbung – an der gegenüberliegenden Felswand. Leider schien dort tatsächlich ein Eingang zu sein. »Du brauchst nur hinüberzuspringen.«
    Wieder versuchte ich die Entfernung abzuschätzen – sie war ganz offensichtlich zu weit zum Springen. Ich warf Mama Chia einen fragenden Blick zu, um zu sehen, ob das ein Witz sein sollte. Aber ihr Gesicht wirkte ganz ernst.
    »Das ist unmöglich«, widersprach ich. »Das sind sieben oder neun Meter, und ich bin kein Weitspringer. Und selbst wenn ich springen würde – wenn ich diesen schmalen Felsvorsprung verfehle, schlage ich mir den Kopf an der Felswand ein, und dann hat es mich die längste Zeit gegeben.«
    »Angst hast du wohl gar nicht?« fragte sie.
    »Nein, eigentlich nicht – aber ich bin auch kein Idiot. Das wäre Selbstmord.«
    Mama Chia sah mich nur an, mit diesem Lächeln, das alles besser zu wissen schien.
    »Ich habe nein gesagt.«
    Sie wartete.
    »Das hier ist jetzt kein Traum mehr«, brauste ich auf. »Und ich bin schließlich kein Vogel!«
    »Aber es geht«, meinte sie und zeigte über den Abgrund.
    Kopfschüttelnd drehte ich mich um, und wir gingen wieder zurück. »Es hat nichts mit Angst zu tun, Mama Chia – das weißt du.
Es wäre schlicht und einfach eine Dummheit. Grundsätzlich habe ich ja nichts dagegen, auszuprobieren, wo meine Grenzen liegen; aber wenn ich mich hier überschätze, bin ich ein toter Mann.«
    Ich spürte ihre Hand, noch ehe sie mich berührte. Schlagartig richteten sich die Haare in meinem Nacken auf, und ich bekam eine Gänsehaut, dann zuckte ein Blitz vor meinen Augen auf. Etwas hatte sich verändert. Oder doch nicht? Es sah zwar alles noch genauso aus wie vorher, aber irgendwie wirkte es anders. Ich stand immer noch da und sprach zu Mama Chia. »Ist das ein

Weitere Kostenlose Bücher