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Die Rückkehr des friedvollen Kriegers

Die Rückkehr des friedvollen Kriegers

Titel: Die Rückkehr des friedvollen Kriegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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Traum?«
    »Alles ist ein Traum«, antwortete sie.
    »Nein, ich meine, das hier, in diesem Augenblick  …«
    »Dein Ziel kannst du immer verfehlen, egal ob du träumst oder nicht.«
    »Und wenn ich es verfehle, muß ich dann tatsächlich sterben?«
    »Dein physischer Körper bleibt unversehrt; aber den Schmerz, den du dabei spürst, wirst du als sehr real empfinden, und – ja, ein Teil von dir wird mit ziemlicher Sicherheit sterben.«
    »Aber wenn das nur eine Vision ist, dann kann ich doch eigentlich alles vollbringen, was ich will.«
    »So einfach ist es auch wieder nicht«, erwiderte sie. »Du wirst nur das schaffen, was du dir auch wirklich zutraust. Es erfordert Glauben und Vertrauen, diesen Abgrund zu überqueren. Das hier ist eigentlich keine Prüfung für deinen Körper, sondern für deinen Geist – dein Konzentrationsvermögen, deine Selbstdisziplin, deine Zielstrebigkeit und in gewisser Hinsicht auch für deine Integrität oder den Grad deiner Integration.
    Du hast schon soviel erreicht – vielen Menschen würde das für ihr ganzes Leben genügen. Diese Herausforderung hier darfst du nur annehmen, wenn du auch wirklich weitergehen möchtest. Frage dich, ob du den Abgrund mit Hilfe deiner Willenskraft überqueren kannst. Das ist eine Prüfung für deine persönliche Kraft. Und dort« – wieder zeigte sie über den Abgrund – »liegt der Weg zur vierten Tür.«
    Noch einmal starrte ich über den Abgrund. Dann sprang ich einmal probeweise in die Höhe und kam wieder auf dem Boden auf. Es
fühlte sich an wie die Landung nach einem Flug, obwohl ich gar nicht höher gesprungen war als sonst. Ich versuchte es noch einmal – wieder mit dem gleichen Ergebnis.
    Das ist ja verrückt, dachte ich. Vielleicht war das alles ein Trick, eine Prüfung für mein gesundes Urteilsvermögen. Vielleicht bestand die Aufgabe darin, eine so törichte Herausforderung gar nicht anzunehmen. Was konnte mir schon passieren, wenn ich mich einfach weigerte zu springen? »Ja, das muß die Lösung sein!« sagte ich laut und wollte mich Mama Chia zuwenden. Aber sie war nicht mehr da.
    Da hörte ich jemanden nach mir rufen. »Dan! Bitte, hilf mir! Hilfe!« Ich blickte über den Abgrund, dorthin, wo die Stimme herkam, und sah – Sachi. Das war unmöglich! Sicher war das auch wieder nur ein Trick. Aber in diesem Augenblick schrie Sachi noch einmal verzweifelt auf und klammerte sich an den Felsvorsprung, auf dem ich landen sollte. Sie war abgerutscht und bemühte sich verzweifelt, wieder hinaufzuklettern.
    »Das ist nicht fair, Mama Chia!« rief ich. »Das ist doch gar nicht wirklich Sachi!«
    »Daaaaannnn!« schrie Sachi in panischer Angst. Sie fand vorübergehend Halt an dem Felsen, rutschte aber wieder ab.
    Da sah ich den Tiger. Er schlich an einem schmalen Felsband entlang, direkt auf Sachi zu. Sie sah ihn nicht.
    »Bitte!« rief sie wieder. Ich hatte keine Wahl. Ich mußte es versuchen. Rasch lief ich den schmalen Weg zurück und nahm Anlauf.
    Während ich immer schneller sprintete, beschlichen mich noch einmal Zweifel: Was tue ich da eigentlich? Ich glaube nicht, daß ich das schaffe. Dann überkam mich eine Art kalter Wut. Keine Wut auf irgend etwas oder irgend jemanden – einfach nur eine mächtige Energie, eine riesige Welle, die alles hinwegspült, was ihr im Weg steht. Nichts sollte mich aufhalten!
    Immer schneller und ganz auf mein Ziel konzentriert, rannte ich auf den Abgrund zu. Eine Welle der Kraft stieg in mir auf. Mein Verstand vergaß Vergangenheit und Zukunft, Tiger und Abgründe, und ich konzentrierte mich nur noch auf eine einzige Sache: den Punkt, auf dem ich landen sollte. Dann sprang ich.

    Während ich durch die Luft schwebte, hatte ich einen Moment lang das Gefühl, daß ich es vielleicht doch nicht schaffen würde. Wie im Zeitlupentempo glitt ich durch Zeit und Raum. Dann spürte ich, wie die Schwerkraft ihr Recht forderte und an meinen Beinen zog. Ich begann abwärts zu stürzen. Aber in diesem Augenblick geschah etwas. Vielleicht geschah es auch nur in meiner Phantasie: Ich nahm alle meine Kräfte zusammen und überquerte den Abgrund mit Hilfe meiner Willenskraft. Es war ein Gefühl, als flöge ich.
    Ein paar Sekunden später landete ich mit einem dumpfen Aufprall, der mir sehr wirklich vorkam, auf der anderen Seite des Abgrunds. Ich rollte in die flache Vertiefung in der Felswand hinein und schlug gegen den Felsen. Der Tiger rannte auf Sachi und mich zu. Noch benommen taumelte ich an den Rand des

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