Die Rückkehr des friedvollen Kriegers
einen Bonusschein zu behandeln; und dann wird das Leben zu einer Art Einkaufszentrum oder Vergnügungspark.
Du hast einen anderen Weg gewählt – den des friedvollen Kriegers, um wahrhaft ein Mensch zu werden. Das ist man nämlich erst, wenn man seine Energie zu beherrschen gelernt hat.
In dem Mythos von der Büchse der Pandora geht es nicht darum, daß boshafte Kobolde und Dämonen aus der Büchse freigelassen werden, es geht um Möglichkeiten, wie man mit der Lebensenergie umgehen kann. Wenn du diese Energie wahllos vergeudest, dann hast du das Gefühl, daß das Leben dir irgendwie abhanden kommt, und empfindest einen tiefen Kummer.
Angst ist die Schattenseite des ersten Stockwerks; Kummer ist die Schattenseite des zweiten.«
»Und was ist die Schattenseite des dritten?« fragte ich. »Was hast du als nächstes mit mir vor?«
14
EIN ANLAUF ZUM GROSSEN SPRUNG
Nichts Wirkliches kann bedroht werden. Nichts
Unwirkliches existiert. Darin liegt der Friede Gottes.
›A Course in Miracles‹
»Es geht nicht darum, was ich vorhabe, sondern was du vorhast. Ich lasse mich von dir führen«, erklärte sie.
»Wie eine Tanzpartnerin.«
»Ja«, sagte sie mit einem scherzhaften Knicks.
»Also gut – was kommt als nächstes?«
»Nicht viel – eigentlich nur ein symbolisches Erlebnis. Socrates hat ja schon sein Teil dazu beigetragen, dich auf die unteren Stockwerke vorzubereiten; also dürfte das hier nicht mehr schwierig für dich sein.«
Sie führte mich durch eine felsige Schlucht, durch einen kurzen steinernen Tunnel und dann auf einen Weg, der über einen rasiermesserscharfen Grat führte. »Aber erst einmal wollen wir uns eine Weile hier hinsetzen.«
Sie schloß die Augen, und da ich sie nicht mit Fragen bestürmen wollte, tat ich das gleiche. Viel anderes konnte man hier oben sowieso nicht machen – dachte ich zumindest.
Als ich die Augen wieder aufschlug, sah ich im Westen schon die Sonne untergehen. Da öffnete auch Mama Chia die Augen und reichte mir Mais und Nüsse aus ihrem Rucksack, der nie leer zu werden schien. »Iß das, du wirst es brauchen können.«
»Warum muß ich essen? Das hier ist doch nur ein Traum, oder nicht? Allerdings fällt mir jetzt auf«, stellte ich fest, »daß mir dieses
Stockwerk viel wirklicher vorkommt als die anderen. Es ist so eine Art Vision, nicht wahr?«
Sie ignorierte meine Frage und erklärte: »Im dritten Stockwerk geht es um Macht; aber nicht um Macht über andere Menschen – das ist die negative Seite –, sondern um persönliche Macht über die Impulse deines Basis-Selbst und die Wünsche deines Ego. Hier erwarten dich viele Herausforderungen: Du mußt Selbstbewußtsein, klare Zielsetzungen, Pflichtbewußtsein, Integrität, Verantwortungsgefühl, Konzentration, Engagement und Willenskraft entwickeln – alles Dinge, die den meisten Lehrlingen auf dem Wege zur Menschwerdung so schwerfallen.
Jetzt, wo du das zweite Stockwerk aufgeräumt und ein Gefühl der Verbundenheit zu deinen Mitmenschen bekommen hast, ist deine Aufmerksamkeit frei für höhere Impulse. Es wird dir leichter fallen, auch auf die Bedürfnisse anderer einzugehen – obwohl es wahren Altruismus im dritten Stockwerk noch nicht gibt. Dein Basis-Selbst hat dich immer noch unter Kontrolle; doch es ist jetzt schon disziplinierter. Was du für andere Menschen tust, das tust du aus Pflichtgefühl und Verantwortungsbewußtsein. Aber die Liebe entzieht sich dir immer noch.«
»Willst du damit sagen, daß ich nicht richtig lieben kann?« fragte ich. Ihre Worte beunruhigten mich.
»Es gibt viele Arten von Liebe«, sagte sie. »Genauso, wie es viele verschiedene Arten von Musik, Filmen, Essen und Trinken gibt. Es gibt zum Beispiel die Liebe im ersten Stockwerk, die sich auf äußerst primitive, ja sogar gewaltsame sexuelle Begegnungen beschränkt. Im zweiten Stock ist die Liebe voller Vitalität, und der sinnliche Genuß steht im Vordergrund; man nimmt jetzt aber auch schon auf den Partner Rücksicht. Und im dritten Stockwerk ist die Liebe eine wohldurchdachte, raffinierte Kunst.«
»Ich frage dich nach der Liebe, aber du redest immer nur von Sex.«
»Solange du das vierte Stockwerk nicht erreicht hast, besteht die Liebe auch hauptsächlich aus Sex.«
»Sprich weiter!«
»Nicht nötig; du hast schon begriffen, worum es geht.«
»Und was ist mit der Liebe in den höheren Stockwerken?«
»Damit wollen wir uns beschäftigen, wenn du bereit dafür bist«, erwiderte sie. »Im
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