Die Rückkehr des friedvollen Kriegers
einen lauten Gong, und mein Kopf flog zur Seite; dann sah ich Sterne. Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf einem Haufen aus verstreutem Abfall.
Ich richtete mich halb auf, rieb mir den Kopf und sagte: »Das war aber ein Mordsschlag. Sind deine Fäuste aus Stahl, oder wie machst du das?«
Er hatte sein Gesicht gewahrt. Ich war der besiegte Feind. Ich sah, wie sein Gesichtsausdruck sich veränderte, als er stolz die Faust in die Höhe reckte.
»Nee. Die sind aus Eisen«, sagte er.
»Hilf mir aufstehen, ja?« sagte ich und streckte ihm die Hand hin. »Ich lade euch zu einem Bier ein.«
21
EIN SONNENSTRAHL IN DER MEERESTIEFE
In den Höhlen im Meer
Ist ein Durst, eine Liebe,
Eine Ekstase, hart wie Muscheln –
Du kannst sie in der Hand halten.
GIORGOS SEFERIS
Er zögerte einen Augenblick, dann reichte er mir die Hand und zog mich hoch. »Ich kann ’ne Menge Bier vertragen«, prahlte er, lächelte und entblößte dabei zwei Zahnlücken. Während wir zu dem Laden gingen – auf dem Schild über der Tür stand »Spirituosen« –, rieb ich mir den Bluterguß an der rechten Wange und war froh über die zehn Dollar, die Fuji mir gegeben hatte, denn außer denen hatte ich so gut wie kein Geld bei mir. Das ist wirklich eine verdammt originelle Art, Freundschaften zu schließen, dachte ich.
Aber ich hatte tatsächlich Freunde gefunden. Vor allem Bierbauch, der eigentlich Kimo hieß, schien mich zu mögen. Die anderen Burschen verschwanden nach und nach, als ich kein Geld für Bier mehr hatte, aber Kimo blieb. Er erbot sich sogar, mir eins zu spendieren.
»Nein, danke, Kimo, ich hab genug«, sagte ich. Aber dann kam ich auf eine Idee. »Weißt du vielleicht, wo ich hier ein Segelboot finde?« Ich weiß gar nicht, wie ich plötzlich darauf kam. Ich folgte einfach dem Impuls des Augenblicks.
Da erwachte Kimo, der bis dahin schweigend die Theke angestarrt und an seinem Bier genippt hatte, plötzlich zum Leben. Sein Gesicht rötete sich, und er wandte sich mir aufgeregt wie ein Schuljunge
zu. »Was, du willst segeln gehn? Ich hab ’n Boot! Ich bin der beste Segler hier in der Stadt.«
Im Nu waren wir draußen. Und eine halbe Stunde später segelten wir auch schon aufs Meer hinaus. Es wehte eine steife Brise, und unser Boot hüpfte über die Wellen. »Das hier is’ ’n toller Platz zum Angeln. Angelst du gern?« Das war freilich eine rein rhetorische Frage – so als hätte er gefragt: »Atmest du gern?« Sie ließ wenig Spielraum für ein Nein.
»Ich hab schon seit Jahren nicht mehr geangelt«, erklärte ich diplomatisch. Es war auch nur eine Angelrute an Bord; also begann Kimo zu angeln, ganz in seine Welt versunken, während ich mich, froh über seine Gesellschaft, über die Reling lehnte und die Meeresoberfläche mit meinen Blicken zu durchdringen versuchte.
Die Wellen hatten sich gelegt, und das Meer lag glatt wie Glas vor mir. Das Wasser war kristallklar. Ich sah Fischschwärme vorbeischwimmen und versuchte mir vorzustellen, wie es wohl wäre, wenn …
Ohne sich darum bemüht zu haben – vielleicht war das des Rätsels Lösung –, flog mein Bewußtsein plötzlich mit den Fischen mit. Für die Fische ist das Wasser wie Luft, erkannte ich. Ich konnte mich ungewohnt gut in dem feuchten Element bewegen: Ich brauchte es nur zu wollen, und schon war ich eine Rakete oder eine Sternschnuppe, die sich in rasendem Tempo bewegte, und im nächsten Augenblick lag ich wieder vollkommen entspannt und regungslos im Wasser.
Aber ich war immer auf der Hut. Denn hier kam der Tod aus allen Richtungen, und zwar sehr plötzlich. Ich sah einen größeren Fisch zuschnappen, und schon war ein kleinerer nicht mehr da. Das Meer war eine lebendige Maschine voller Bewegung und Fortpflanzung, Fressen und Tod – und doch von großer Schönheit und tiefem Frieden erfüllt.
Mit einem Schlag kehrte ich wieder in meine gewohnte Realität zurück, als Kimo sagte: »Weißte, Dan, dies Boot und dies Meer – das is’ mein Leben.«
Ich spürte, daß er mir etwas sehr Persönliches mitteilen wollte, und hörte aufmerksam zu.
»Manchmal is’ es ganz friedlich – so wie jetz’. Und dann kommt ’n Sturm. Gegen den Sturm kann ich nix machen. Aber ich kann das Segel nach’m Wind drehn und alles festbinden und warten, bis der Sturm vorbei is’. Und dann, wenn man durchgekommen is’, fühlt man sich gleich viel stärker – verstehste?«
»Ja, ich versteh, was du meinst, Kimo. Mit meinem Leben ist es
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