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Die Rückkehr des Poeten

Die Rückkehr des Poeten

Titel: Die Rückkehr des Poeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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ging hinter ihm vorbei in einen Gang und auf die geschlossene Tür an seinem Ende zu. Bevor sie sie erreichte, trat sie durch die offene Tür eines Bads. Bis auf die toten Fliegen, die alle Oberflächen bedeckten, war es sauber. In der Badewanne waren wie in einem Bett zwei Kissen und eine Decke ausgebreitet. Sie erinnerte sich an die Hintergrundinformationen, die über Backus gesammelt worden waren, und spürte, wie sich in ihrer Brust physischer Ekel ausbreitete.
    Sie verließ das Bad und ging zu der geschlossenen Tür am Ende des Flurs.
    »Ist das, wo Sie die Leiche gesehen haben?«, fragte sie.
    Bosch drehte sich um und beobachtete, wie sie sich der Tür näherte.
    »Rachel …«
     
    Rachel blieb nicht stehen. Sie drehte den Knauf und zog die Tür auf. Ich hörte ein eigenartiges metallisches Klicken, das ich nicht mit dem Geräusch irgendeines Türschlosses in Verbindung brachte. Rachel verharrte mitten in der Bewegung.
    »Harry?«
    Ich begann auf sie zuzugehen.
    »Was ist?«
    »Harry!«
    Sie drehte sich in der Enge des holzvertäfelten Flurs zu mir um. Ich schaute an ihrem Gesicht vorbei und sah die Leiche auf dem Bett. Ein auf dem Rücken liegender Mann, der einen schwarzen Cowboyhut über sein Gesicht gezogen hatte. In seiner rechten Hand eine Pistole. Links oben in seiner Brust eine Schusswunde.
    Fliegen summten um uns herum. Ich hörte ein lautes Zischen und schob mich weiter an Rachel vorbei und sah die Lunte auf dem Boden. Sie bestand aus mehreren miteinander verbundenen Drähten, die chemisch so behandelt waren, dass sie überall brannten, sogar unter Wasser.
    Die Lunte brannte schnell. Wir konnten sie nicht löschen. Gut ein Meter davon schlängelte sich über den Boden, dann verschwand sie unter dem Bett. Rachel bückte sich, um daran zu ziehen.
    »Nein, nicht! Das könnte die Explosion sofort auslösen. Es gibt nichts, was … schnell raus hier!«
    »Nein! Wir dürfen diesen Tatort nicht verlieren! Wir müssen …«
    »Rachel, keine Zeit! Schnell! Raus! Sofort!«
    Ich schob sie den Flur hinunter und blockte jegliche Rückkehrversuche ihrerseits mit meinem Körper ab. Den Blick auf die Gestalt auf dem Bett geheftet, begann ich rückwärts zu gehen. Als ich dachte, Rachel hätte aufgegeben, drehte ich mich um, und darauf hatte sie gewartet. Sie zwängte sich an mir vorbei.
    »Wir brauchen DNS!«, schrie sie.
    Sie rannte in den Raum, sprang aufs Bett und riss dem Toten den Hut vom Kopf, sodass darunter ein Gesicht, grau und entstellt vor Verwesung, zum Vorschein kam. Dann richtete sie sich wieder auf und kam zur Tür zurück.
    Trotz der Dramatik der Situation bewunderte ich ihre Geistesgegenwart und was sie gerade getan hatte. Das Schweißband des Huts enthielt mit ziemlicher Sicherheit Hautzellen mit der DNS des Toten. Sie trug den Hut an mir vorbei und rannte dann in Richtung Tür los. Ich sah, dass der brennende Bereich der Lunte unter dem Bett verschwand. Ich lief Rachel hinterher.
    »War er es?«, rief sie über ihre Schulter.
    Ich wusste, was sie meinte. War die Leiche auf dem Bett der Mann, der auf Terry McCalebs Boot aufgetaucht war? War es Backus?
    »Keine Ahnung. Los jetzt! Schnell! Schnell! «
    Ich erreichte die Tür zwei Sekunden nach Rachel. Sie war bereits draußen und stürmte vom Wohnwagen fort, auf den Titanic Rock zu. Ich folgte ihr. Ich hatte vielleicht fünf Schritte gemacht, als hinter mir die Explosion durch die Luft fetzte. Ich wurde von der vollen Wucht der ohrenbetäubenden Druckwelle erfasst und bäuchlings zu Boden geschleudert. Bei der Grundausbildung hatte ich gelernt, in Embryohaltung über den Boden zu rollen, und auf diese Weise konnte ich mir ein paar zusätzliche Meter Distanz zu der Explosion verschaffen.
    Der Zeitablauf wurde unzusammenhängend und verlangsamt. Eben war ich noch gerannt. Im nächsten Moment war ich plötzlich, die Augen offen, auf allen vieren und versuchte, den Kopf zu heben. Etwas verdeckte vorübergehend die Sonne, und es gelang mir, nach oben zu blicken und zehn Meter über mir das Gehäuse des Wohnwagens zu sehen. Seitenwände und Dach intakt. Er schien zu schweben und fast dort oben zu hängen. Dann kam er zehn Meter von mir entfernt nach unten geflogen, seine splitternden Aluminiumwände rasiermesserscharf. Als er auf dem Boden aufschlug, entstand ein Geräusch wie bei einer Massenkarambolage.
    Ich suchte den Himmel nach weiterem Ausfall ab und stellte fest, dass ich nichts mehr zu befürchten hatte. Ich sah zu der Stelle, wo der Wohnwagen

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