Die Rückkehr des Poeten
oder wer tot in diesem Wohnwagen lag, schmorte dort schon lange.
Ich löste mich von Rachels Seite und ging auf eine Reihe von Fenstern links von der Wohnwagentür zu. Seitlich die Augen beschirmend, spähte ich durch das Fliegengitter in das dunkle Innere. Als meine Hände das Fliegengitter berührten, lösten sie im Wohnwagen einen Alarm summender Fliegen aus. Sie prallten bei dem Versuch, nach draußen zu kommen, gegen das Gitter, so, als wären der Anblick und der Geruch dort drinnen selbst ihnen zu viel.
Vor dem Fenster hing zwar kein Vorhang, aber trotzdem konnte ich aus meinem Blickwinkel nicht viel sehen – zumindest keine Leiche oder irgendeinen Hinweis, dass dort eine war. Es sah aus wie eine Sitzecke mit einer Couch und einem Sessel. Es gab einen Tisch mit zwei Stapeln gebundener Bücher darauf. Hinter dem Sessel war ein Bücherregal, die Borde voll mit Büchern.
»Nichts zu sehen«, sagte ich.
Ich trat vom Fenster zurück und schaute an der Seitenwand des Wohnwagens entlang. Ich sah, wie sich Rachels Blick auf die Tür und dann auf den Türgriff heftete. Dann kam mir ein Gedanke, etwas, was mir eigenartig vorkam.
»Rachel, warum hat er die Nachricht für Sie in der Bar hinterlegt?«
»Was?«
»Die Nachricht. Er hat sie in der Bar hinterlegt. Warum dort? Warum nicht hier?«
»Wahrscheinlich wollte er sichergehen, dass ich sie auch wirklich erhalte.«
»Auch wenn er sie nicht in der Sports Bar hinterlegt hätte, wären Sie hier raufgekommen. Sie hätten sie auch hier gefunden.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Was wollen Sie damit sagen? Ich verstehe nicht, worauf …«
»Lassen Sie die Finger von der Tür, Rachel. Warten wir lieber.«
»Wieso? Warum?«
»Irgendetwas gefällt mir hier nicht.«
»Sehen Sie doch mal auf der Rückseite nach. Vielleicht gibt es dort ein Fenster, durch das Sie was erkennen können.«
»Okay. Warten Sie hier so lange.«
Sie antwortete mir nicht. Ich ging links um den Wohnwagen herum, stieg über die Anhängerkupplung und wollte gerade auf die hintere Seite gehen. Doch dann blieb ich stehen und ging zu der Mülltonne.
Sie war zu einem Drittel voll mit den verkohlten Resten verbrannter Abfälle. Daneben lag ein Besenstiel, dessen eines Ende verkohlt war. Ich hob ihn vom Boden auf und stocherte damit in der Asche herum, wie es sicher auch Backus gemacht hatte, als das Feuer gebrannt hatte. Er hatte sichergehen wollen, dass alles verbrannte.
Allem Anschein nach waren hauptsächlich Papierkram und Bücher verbrannt worden. Es war nichts dabei, was man erkennen konnte, bis ich auf eine verkohlte und geschmolzene Kreditkarte stieß. Ich konnte zwar nichts darauf erkennen, aber ich nahm an, dass die Spurensicherungsexperten sie einem der Opfer zuordnen könnten. Ich stocherte weiter herum und sah Teile von geschmolzenem schwarzem Plastik. Dann entdeckte ich ein Buch, das außen bis zur Unkenntlichkeit verbrannt war, aber innen noch ein paar zum Teil intakte Seiten hatte. Ich hob es mit den Fingern heraus und öffnete es vorsichtig. Es sah aus wie ein Gedichtband, aber mit Sicherheit ließ sich das nicht sagen, weil alle Seiten teilweise verbrannt waren. Zwischen zwei Seiten fand ich eine halb verbrannte Quittung für das Buch. Am oberen Rand stand »Book Car«, aber der Rest war verbrannt.
»Bosch? Wo sind Sie?«
Es war Rachel. Sie konnte mich nicht sehen. Ich legte das Buch in die Tonne zurück und steckte den Besenstiel ebenfalls hinein. Ich ging auf die Rückseite des Wohnwagens zu. Ich sah ein weiteres offenes Fenster.
»Augenblick.«
Rachel wartete. Sie wurde ungeduldig. Sie lauschte nach dem fernen Geräusch von Hubschraubern, die über die Wüste geflogen kamen. Sobald sie sie hörte, wäre ihre Chance verspielt. Sie würde kaltgestellt, möglicherweise sogar bestraft, weil sie Bosch nicht an die Leine genommen hatte.
Sie blickte wieder auf den Türgriff. Sie dachte an Backus und ob das sein letztes Spiel sein könnte. Waren vier Jahre in der Wüste genug gewesen? Hatte er Terry McCaleb umgebracht und ihr das GPS geschickt, nur um sie schließlich hierher zu lotsen? Sie dachte an die Nachricht, die er ihr hinterlassen hatte, an die Mitteilung, dass er ihr viel beigebracht hatte. In ihr stieg Wut auf, eine Wut, die in ihr den Wunsch weckte, die Tür aufzureißen und …
»Wir haben eine Leiche!«
Es war Bosch, der das von der Rückseite des Wohnwagens rief.
»Was? Wo?«
»Kommen Sie nach hinten. Von hier kann man besser sehen. Da ist ein Bett, und ich
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