Die Rückkehr des Poeten
Kurzgeschichten haben ihn nicht sonderlich interessiert.«
»Stand in diesen Büchern der Name des ursprünglichen Sammlers? Rodman?«
»Nein, Rodway. Und ja, sie hatten alle seinen Bibliotheksstempel eingeprägt. Das war zwar eine gewisse Wertminderung, aber dein Freund wollte die Bücher trotzdem.«
Ich nickte. Ich sah meine Theorie langsam Gestalt annehmen. Inzwischen war es mehr als eine Theorie.
»Harry, was willst du eigentlich wirklich?«
Ich sah Thomas an.
»Wie meinst du das?«
»Ich weiß auch nicht. Du stellst eine Menge Fragen …«
Ein lautes Klingeln, das aus dem hinteren Teil des Ladens kam, schnitt Thomas das Wort ab.
»Ist ja auch nicht weiter wichtig, Harry«, sagte er. »Da kommen gerade mehr Bücher. Ich kriege eine Lieferung.«
»Oh.«
»Bis dann also.«
»Bis dann.«
Ich beobachtete, wie er vom Ladentisch nach hinten ging. Ich sah auf meine Uhr. Es war Mittag. Der FBI-Direktor trat gerade vor die Fernsehkameras, um die Öffentlichkeit über die Explosion in der Wüste zu unterrichten und zu sagen, dass sie das Werk des Killers war, der als der Poet bekannt war. War das vielleicht der Moment, den Backus gewählt hatte, um Thomas umzubringen? Meine Kehle und mein Brustkorb schnürten sich zusammen, als wäre die Luft aus dem Raum gesaugt worden. Sobald Thomas in das Lager verschwunden war, beugte ich mich wieder über den Ladentisch, um auf den Überwachungsmonitor zu schauen. Mir war zwar klar, dass Thomas, wenn er auf den Monitor im Lager sah, merken würde, dass ich den Laden nicht verlassen hatte, aber ich zählte darauf, dass er direkt zur Tür gehen würde.
In der Bildschirmecke, in der das Lager zu sehen war, sah ich, wie Thomas das Gesicht an die Hintertür hielt und durch ein Guckloch schaute. Anscheinend nicht beunruhigt über das, was er sah, entriegelte er die Tür und öffnete sie. Ich sah angespannt auf den Monitor, obwohl das Bild sehr klein war und für mich auf dem Kopf stand.
Thomas trat zurück, und ein Mann kam durch die Tür. Er hatte ein dunkles Hemd und dazu passende Shorts an. Er trug zwei Schachteln, eine auf der anderen, und Thomas lotste ihn zu einem Arbeitstisch. Der Ausfahrer stellte die Schachteln darauf ab und nahm dann einen Kleincomputer von der oberen Schachtel, um sich die Lieferung von Thomas bestätigen zu lassen.
Alles schien in bester Ordnung. Eine Routineangelegenheit. Ich richtete mich rasch vom Ladentisch auf und ging zur Tür. Als ich sie öffnete, hörte ich einen elektronischen Glockenton, aber ich machte mir deshalb keine Sorgen. Ich steckte das signierte Buch unter meinen Regenmantel und lief durch den Regen zu meinem Mercedes zurück.
»Was sollte das denn? Wieso hast du dich so komisch über den Ladentisch gebeugt?«, fragte Rachel, sobald ich wieder am Steuer saß.
»Er hat mehrere Überwachungskameras im Laden. Er bekam eine Lieferung, und ich wollte nicht gehen, ohne mich vorher zu vergewissern, dass auch nichts faul an der Sache ist. In Washington ist es jetzt kurz nach drei Uhr.«
»Ich weiß. Und hast du irgendetwas Neues erfahren, oder warst du nur da drinnen, um ein Buch zu kaufen?«
»Ich habe sogar eine ganze Menge erfahren. Tom Walling ist Kunde bei ihm. Beziehungsweise er war es, bis er ihm ein paar Bücher von Edgar Allan Poe nicht bezahlt hat. Wie wir ganz richtig vermutet haben, hat er sie sich per Post zuschicken lassen. Thomas hat ihn nie zu Gesicht bekommen, sondern nur die Bücher nach Nevada geschickt.«
Rachel setzte sich kerzengerade auf.
»Soll das ein Witz sein?«
»Nein. Die Bücher waren aus irgendeiner Sammlung, die Ed aufgekauft hat. Da sie den Stempel des ehemaligen Besitzers trugen, hätte sich ihre Herkunft feststellen lassen. Deshalb hat sie Backus in der Mülltonne verbrannt. Er wollte nicht riskieren, dass sie die Explosion vielleicht heil überstünden und mit Thomas in Verbindung gebracht werden könnten.«
»Warum?«
»Weil er hier eindeutig etwas geplant hat. Er führt etwas gegen Thomas im Schilde.«
Ich startete den Mercedes.
»Wo willst du hin?«
»Auf die Rückseite des Ladens, um zu sehen, ob bei dieser Lieferung auch wirklich alles mit rechten Dingen zugeht. Außerdem kann es nicht schaden, ab und zu den Standort zu wechseln.«
»Ach so, du erteilst mir jetzt Unterricht in Observierungstechnik.«
Ohne etwas zu erwidern, fuhr ich auf die Rückseite der Ladenzeile, wo ich den braunen UPS-Lieferwagen vor dem Hintereingang von Book Carnival stehen sah. Im Vorbeifahren erhaschte
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