Die Rückkehr des Poeten
Ihnen vielleicht helfen?«
»Spreche ich mit Pat?«
»Ja, am Apparat. Wer sind Sie?«
»Bill Gilbert. Ich glaube, wir haben uns vor längerer Zeit mal in der Sportsman’s Lodge kennen gelernt. Ich bin ein ehemaliger Kollege von Ed. Und weil ich heute gerade in der Gegend bin, dachte ich, ich schaue mal in der Buchhandlung vorbei. Kommt er später wieder zurück?«
»Schwer zu sagen. Er ist gerade zu einer Schätzung los, und das kann durchaus den ganzen Tag dauern. Bei dem Regen und weil es doch ziemlich weit von hier ist.«
»Eine Schätzung?«
»Ja, er sieht sich eine Bibliothek an. Jemand will seine Bücher verkaufen und Ed ist gerade losgefahren, um zu sehen, was sie wert sind. Es ist irgendwo oben im San Fernando Valley, und wenn ich ihn richtig verstanden habe, ist es eine große Bibliothek. Er hat gesagt, dass ich heute Abend den Laden wahrscheinlich allein schließen muss.«
»Sind das noch mehr Bücher aus der Rodway-Sammlung?
Von der hat er mir nämlich erzählt, als wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben.«
»Nein, die ist inzwischen fast ganz verkauft. Hier handelt es sich um einen gewissen Charles Turrentine, und er hat über sechstausend Bücher.«
»Wow, das sind ja eine Menge.«
»Er ist ein bekannter Sammler, aber ich schätze, er braucht das Geld, weil er Ed gesagt hat, er will alles verkaufen.«
»Komisch. Da verbringt jemand so viel Zeit mit Sammeln, und dann verkauft er alles.«
»Das kommt immer wieder vor.«
»Also, dann will ich Sie nicht mehr länger aufhalten, Pat. Vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal. Bestellen Sie ihm schöne Grüße von mir.«
»Wie war Ihr Name gleich wieder?«
»Tom Gilbert. Dann also auf Wiedersehen.«
Ich klappte das Handy zu.
»Am Anfang warst du noch Bill Gilbert.«
»Oh.«
Ich schilderte Rachel den Verlauf des Gesprächs. Dann rief ich die Auskunft für das Gebiet mit der Vorwahlnummer 818 an, aber sie hatten keinen Eintrag für einen Charles Turrentine. Ich fragte Rachel, ob sie in der FBI-Dienststelle Los Angeles jemanden kannte, der ihr Turrentines Adresse und vielleicht auch seine Telefonnummer besorgen könnte.
»Hast du niemanden beim LAPD, der dir helfen kann?«
»Im Moment habe ich, glaube ich, jeden Gefallen aufgebraucht, den mir jemand schuldig ist. Außerdem bin ich ein Außenseiter. Im Gegensatz zu dir.«
»Da bin ich mir nicht so sicher.«
Sie holte ihr Handy heraus, und ich konzentrierte mich wieder auf die Hecklichter von Thomas’ Geländewagen, der nur fünfzig Meter vor mir fuhr. Ich wusste, dass Thomas ein Stück weiter zwei Möglichkeiten hätte. Er konnte auf den Freeway 5 überwechseln und in nördlicher Richtung durch Downtown L.A. fahren, oder er konnte auf dem Freeway 22 bleiben und dann den 405er nach Norden nehmen. Auf beiden Routen käme er ins Valley.
Nach fünf Minuten erhielt Rachel einen Rückruf mit den Auskünften, um die sie gebeten hatte.
»Er wohnt in Canoga Park in der Valerio Street. Weißt du, wo das ist?«
»Wo Canoga Park ist, weiß ich. Die Valerio verläuft in ostwestlicher Richtung durch das ganze Valley. Hast du auch eine Telefonnummer?«
Statt einer Antwort gab sie auf ihrem Handy eine Nummer ein. Dann hielt sie es ans Ohr und wartete. Nach einer halben Minute klappte sie das Handy zu.
»Es geht niemand ans Telefon. Ich bekam den Anrufbeantworter dran.«
Wir fuhren schweigend weiter und dachten nach.
Thomas fuhr an der Ausfahrt zum Freeway 5 vorbei und blieb auf dem 22er. Jetzt würde er am 405er nach Norden abbiegen und über den Sepulveda Pass ins Valley fahren. Canoga Park war auf der Westseite. Wegen des Wetters mussten wir mit einer Fahrzeit von mindestens einer Stunde rechnen. Wenn wir Glück hatten.
»Verlier ihn nicht aus den Augen, Bosch«, sagte Rachel ruhig.
Ich wusste, was sie meinte. Ihr Gefühl sagte ihr, dass es jetzt ernst wurde. Sie glaubte, dass uns Ed Thomas zum Poeten führen würde. Ich nickte, weil auch ich dieses Gefühl hatte. Es war fast wie ein Summen, das aus den Tiefen meines Brustkorbs kam. Ohne es wirklich zu wissen, wusste ich, dass wir am Ziel waren.
»Keine Sorge«, sagte ich. »Ich passe schon auf.«
41
D
er Regen begann Rachel auf die Nerven zu gehen. Seine Unerbittlichkeit. Er ließ nie nach, hörte nie auf. Er kam einfach runter und klatschte in einem endlosen, die Scheibenwischer überfordernden Schwall auf die Windschutzscheibe. Alles war nur verschwommen erkennbar. Auf den Seitenstreifen des Freeway hatten zahlreiche Autos
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