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Die Rückkehr des Poeten

Die Rückkehr des Poeten

Titel: Die Rückkehr des Poeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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sich das mit der Dreijahresoption noch mal. Wir könnten Sie jedenfalls gut gebrauchen, egal, ob hier oder in Hollywood oder sonst wo.«
    »Ja, danke. Mal sehen. Ich lasse es mir jedenfalls durch den Kopf gehen.«
    Ich klappte das Handy zu und saß da, umgeben von den Obsessionen eines anderen Mannes, während ich über meine eigenen nachdachte. Ich überlegte, ob ich wieder zur Polizei gehen sollte. Ich dachte an siebentausend ungehörte Stimmen aus dem Grab. Das waren mehr als die Zahl der Sterne, die man sieht, wenn man nachts zum Himmel hochschaut.
    Mein Handy summte, als ich es noch in der Hand hatte. Es riss mich aus meiner Träumerei, und ich meldete mich in der Annahme, es sei Tim Marcia, der zurückrief, um mir zu sagen, das mit dieser Dreijahresoption sei nur ein Scherz gewesen. Aber es war Graciela.
    »Ich kann im Boot Licht brennen sehen«, sagte sie. »Sind Sie immer noch da?«
    »Ja, ich bin hier.«
    »Warum sind Sie so lang geblieben, Harry? Sie haben die letzte Fähre verpasst.«
    »Ich hatte nicht vor, heute Abend zurückzufahren. Ich wollte über Nacht bleiben und hier fertig werden. Vielleicht fahre ich morgen zurück. Möglicherweise muss ich auch noch mal zu Ihnen raufkommen und mit Ihnen reden.«
    »Gern, jederzeit. Ich arbeite morgen nicht. Ich werde zu Hause sein, packen.«
    »Packen?«
    »Wir ziehen zurück aufs Festland. Nach Northridge. Ich habe meinen alten Job in der Notaufnahme des Holy Cross wieder gekriegt.«
    »Ist Raymond einer der Gründe, warum Sie aufs Festland ziehen?«
    »Raymond? Wie meinen Sie das?«
    »Ich habe mich nur gefragt, ob es vielleicht Probleme mit dem Jungen gab. Ich habe gehört, dass es ihm auf der Insel nicht mehr gefällt.«
    »Raymond hat nicht viele Freunde. Er hat ein bisschen Anpassungsschwierigkeiten. Aber ich gehe nicht nur wegen Raymond zurück. Ich will selbst zurück. Das wollte ich schon vor Terrys Tod. Das habe ich Ihnen doch erzählt.«
    »Ja, ich weiß.«
    Sie wechselte das Thema.
    »Brauchen Sie irgendwas? Hatten Sie was zu essen?«
    »Ich habe in der Kombüse einiges gefunden. Ich brauche nichts.«
    Sie stöhnte. »Das muss doch alles uralt gewesen sein. Achten Sie unbedingt auf das Verfallsdatum, bevor Sie noch irgendwas essen.«
    »Okay, mache ich.«
    Nach kurzem Zögern stellte sie mir die Frage, die sie mir eigentlich hatte stellen wollen.
    »Haben Sie schon was gefunden?«
    »Also, ich bin auf ein paar Dinge gestoßen, die mich neugierig gemacht haben. Aber bisher war noch nichts darunter, was einem besonders aufgefallen wäre.«
    Ich dachte an den Mann mit der Dodgers-Kappe. Mir war er allerdings aufgefallen, aber Graciela wollte ich noch nichts von ihm erzählen. Ich wollte mehr wissen, bevor ich mit ihr über ihn sprach.
    »Okay«, sagte sie. »Aber geben Sie mir Bescheid, wenn es etwas Neues gibt, ja?«
    »So war es doch abgemacht.«
    »Also, dann hören wir ja morgen voneinander, Harry. Übernachten Sie in einem Hotel oder auf dem Boot?«
    »Auf dem Boot wahrscheinlich. Falls Sie nichts dagegen haben.«
    »Nein, nein, kein Problem. Machen Sie einfach, was Ihnen am liebsten ist.«
    »Okay. Dürfte ich Sie kurz noch was fragen?«
    »Sicher. Was?«
    »Weil Sie gerade erzählt haben, dass Sie packen – da ist eine Sache, die mich interessieren würde. Wie oft fahren Sie aufs Festland rüber? Sie wissen schon, um einzukaufen oder essen zu gehen oder Freunde oder Verwandte zu treffen.«
    »In der Regel etwa einmal im Monat. Außer es ergibt sich irgendwas Besonderes und ich muss fahren.«
    »Nehmen Sie die Kinder mit?«
    »Normalerweise schon. Ich möchte, dass sie sich daran gewöhnen. Wenn man auf einer Insel aufwächst, wo sie statt Autos Golfcarts haben und jeder jeden kennt … da kann es eine ziemlich Umstellung sein, plötzlich aufs Festland zu ziehen. Darauf versuche ich sie schon ein bisschen vorzubereiten.«
    »Das ist sicher sehr vernünftig. Was ist drüben auf dem Festland die nächste Mall – von der Anlegestelle der Fähre aus, meine ich?«
    »Welche die nächste ist, weiß ich nicht, aber ich fahre immer zur Promenade am Pico Boulevard hoch. Einfach den Vierhundertfünfer vom Hafen hoch. Ich weiß, es gibt Malls, die näher liegen – die Fox Hills zum Beispiel –, aber irgendwie gefällt mir die Promenade besser. Ich mag die Geschäfte dort, und es ist auch praktisch. Manchmal treffe ich mich dort mit Freunden aus dem Valley, denn es liegt für uns alle etwa auf halbem Weg.«
    Und es ist leicht, Ihnen dorthin zu folgen,

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