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Die Rückkehr des Poeten

Die Rückkehr des Poeten

Titel: Die Rückkehr des Poeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Pillen. Irgendjemand hat sich an ihnen zu schaffen gemacht. Wie kommen Sie darauf?«
    Ihre Körpersprache signalisierte Frustration. Ich machte nicht die logischen Schritte, die ich ihrer Meinung nach hätte machen sollen.
    »Vielleicht sollte ich etwas weiter ausholen«, sagte sie. »Eine Woche nach der Trauerfeier, als ich das alles noch nicht wusste, räumte ich, um wieder eine gewisse Normalität einkehren zu lassen, den Schrank aus, in dem Terry seine ganzen Medikamente aufbewahrt hatte. Dazu müssen Sie wissen, diese Medikamente waren sehr, sehr teuer. Ich wollte sie nicht einfach wegwerfen. Es gibt Leute, die sie sich kaum leisten können. Wir konnten sie uns kaum leisten. Terrys Versicherung war abgelaufen, und wir brauchten MediCal und Medicaid, nur um seine Medikamente bezahlen zu können.«
    »Deshalb haben Sie die Medikamente gespendet?«
    »Ja, das ist bei Transplantationspatienten so üblich. Wenn jemand …«
    Sie blickte auf ihre Hände hinab.
    »Ich verstehe«, sagte ich. »Sie geben alles zurück.«
    »Ja. Um anderen zu helfen. Es ist alles sehr teuer. Und Terrys Vorrat hätte mindestens noch neun Wochen gereicht. Er wäre für jemand anderen tausende von Dollars wert gewesen.«
    »Verstehe.«
    »Deshalb packte ich die ganzen Medikamente ein und fuhr mit der Fähre aufs Festland ins Krankenhaus. Alle waren sehr dankbar dafür, und ich dachte, damit wäre die Sache erledigt. Ich habe zwei Kinder, Mr. Bosch. So schwer es mir auch fiel, das Leben musste weitergehen. Ihretwegen.«
    Ich dachte an die Tochter. Ich hatte sie nie gesehen, aber Terry hatte mir von ihr erzählt. Er hatte mir ihren Namen gesagt und warum er ihn ihr gegeben hatte. Ich fragte mich, ob Graciela diese Geschichte kannte.
    »Haben Sie Dr. Hansen davon erzählt?«, fragte ich. »Wenn sich jemand an den Medikamenten zu schaffen gemacht hat, müssen Sie sie warnen, damit …«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Jede Packung wird genau untersucht. Sie wissen schon, ob die Fläschchen noch versiegelt sind und dass sie noch nicht abgelaufen sind, und die Chargennummern werden auf mögliche Rückrufaktionen hin geprüft. Es wurde jedoch nichts Auffälliges festgestellt. An den Medikamenten hatte sich niemand zu schaffen gemacht. Zumindest nicht an denen, die ich ihnen gebracht hatte.«
    »Aber?«
    Sie rutschte noch weiter an den Rand der Couch. Jetzt würde sie damit herausrücken.
    »Auf dem Boot. Die angebrochenen Packungen, die ich nicht gespendet habe, weil sie die im Krankenhaus nicht nehmen dürfen. Vorschrift, wissen Sie.«
    »Und an denen hat sich jemand zu schaffen gemacht.«
    »In einem Fläschchen war noch eine Tagesration Prograf, und CellCept war noch für zwei Tage da. Ich packte beide Mittel in eine Plastiktüte und brachte sie in die Avalon-Klinik. Dort hatte ich mal gearbeitet. Ich dachte mir eine Geschichte aus – eine Freundin hätte die Kapseln in den Sachen ihres Sohnes gefunden, als sie sie waschen wollte, und sie würde gern wissen, was er nahm. Sie analysierten die Kapseln, und es waren lauter Placebos. Mit einem weißen Pulver gefüllt. Gemahlener Haiknorpel, wenn Sie’s genau wissen wollen. Wird in Spezialgeschäften und übers Internet vertrieben. Leicht verdaulich und harmlos. Da sich das Pulver in einer Kapsel befand, hätte Terry den Unterschied im Geschmack nicht gemerkt.«
    Sie holte einen gefalteten Umschlag aus ihrer Handtasche und reichte ihn mir. Er enthielt zwei Kapseln. Beide weiß, mit einem kleinen rosafarbenen Aufdruck auf der Seite.
    »Stammen die aus der letzten Packung?«
    »Ja. Diese zwei habe ich aufbewahrt, vier habe ich meiner Freundin in der Klinik gegeben.«
    Ich machte mich daran, eine der Kapseln über dem offenen Umschlag zu öffnen. Die beiden Hälften ließen sich mühelos auseinander ziehen, ohne dass eine beschädigt wurde. Das weiße Pulver, das sie enthielten, rieselte in den Umschlag. Mir wurde sofort klar, dass es nicht schwierig gewesen wäre, den ursprünglichen Inhalt der Kapseln zu entfernen und durch ein wirkungsloses Pulver zu ersetzen.
    »Damit sagen Sie also, Graciela, dass Terry auf seiner letzten Chartertour Pillen nahm, von denen er dachte, sie hielten ihn am Leben, während sie in Wirklichkeit vollkommen wirkungslos waren. In gewisser Weise haben sie ihn also tatsächlich getötet.«
    »Genau so ist es.«
    »Woher hatten Sie diese Kapseln?«
    »Die Fläschchen kamen aus der Krankenhausapotheke. Aber es hätte sich bei allen möglichen Gelegenheiten jemand an ihnen zu

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