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Die Rückkehr des Poeten

Die Rückkehr des Poeten

Titel: Die Rückkehr des Poeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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sah sehr genau die Zukunft voraus.«
    Die Lizenz schien seine Bedenken auszuräumen, und er schlug vor, wir könnten entweder auf seinem Boot reden oder auf eine Tasse Kaffee zum Hafenshop rübergehen. Eigentlich wollte ich einen Blick in sein schwimmendes Heim werfen – das war ein wichtiges Ermittlungsprinzip –, aber damit es nicht so offensichtlich wäre, sagte ich ihm, ich könnte etwas Koffein vertragen.
    Der Hafenshop war ein Laden für Schiffsbedarf, zu dem es von Buddys Liegeplatz zu Fuß etwa fünf Minuten waren. Wir unterhielten uns auf dem Weg dorthin über alles Mögliche, und hauptsächlich hörte ich mir Buddy Lockridges Klagen darüber an, wie er in dem Film dargestellt worden war, der von McCalebs Herztransplantation und der Jagd nach dem Mörder seiner Spenderin handelte.
    »Aber Sie haben doch Geld dafür gekriegt, oder nicht?«, sagte ich, als er fertig war.
    »Ja, aber darum geht es nicht.«
    »Aber klar doch. Streichen Sie das Geld ein, und vergessen Sie den Rest. Es ist doch nur ein Film.«
    Vor dem Hafenshop standen ein paar Tische und Bänke, und dort tranken wir unseren Kaffee. Lockridge begann, Fragen zu stellen, bevor ich dazu kam. Ich ließ ihn eine Weile gewähren. Ich war der Ansicht, dass er ein äußerst wichtiger Bestandteil meiner Ermittlungen war, weil er Terry McCaleb gekannt hatte und einer der zwei Zeugen seines Todes war. Ich wollte, dass er sich in meiner Gegenwart wohl fühlte, und deshalb ließ ich ihn drauflosfragen.
    »Und wie sieht Ihr Stammbaum aus?«, fragte er. »Waren Sie bei der Polizei?«
    »Fast dreißig Jahre. Beim LAPD. Die Hälfte der Zeit im Morddezernat.«
    »Mord also. Kannten Sie Terror?«
    »Wen?«
    »Ich meine, Terry. Ich nannte ihn Terror.«
    »Warum?«
    »Keine Ahnung. Einfach so. Ich gebe allen Spitznamen. Terry hat den Terror dieser Welt aus erster Hand mitbekommen, wenn Sie wissen, was ich meine. Ich nannte ihn Terror.«
    »Und ich? Was kriege ich für einen Spitznamen?«
    »Sie …«
    Er sah mich an wie ein Bildhauer, der einen Granitblock taxiert.
    »Ähm, Sie sind Koffer-Harry.«
    »Wie das?«
    »Weil Sie so was Zerknittertes haben, als würden Sie aus einem Koffer leben.«
    Ich nickte.
    »Nicht schlecht.«
    »Und? Kannten Sie Terry?«
    »Ja, ich kannte ihn. Wir haben bei ein paar Fällen zusammengearbeitet, als er noch beim FBI war. Und dann noch mal bei einem, als er bereits sein neues Herz bekommen hatte.«
    Buddy schnippte mit den Fingern und zeigte auf mich.
    »Jetzt erinnere ich mich wieder. Sie waren der Cop. Sie waren der, der damals in dieser Nacht hier auf seinem Boot war, als diese zwei Gorillas auftauchten, um ihn umzulegen. Sie haben ihm das Leben gerettet, und dann hat er Ihres gerettet.«
    Ich nickte.
    »Richtig. Kann ich Ihnen jetzt ein paar Fragen stellen, Buddy?«
    Er breitete die Arme aus, um mir zu verstehen zu geben, dass er mir zur Verfügung stand und nichts zu verbergen hatte.
    »Aber klar doch, Mann. Ich hatte nicht vor, mir das Mikro ganz unter den Nagel zu reißen.«
    Ich holte meinen Notizblock heraus und legte ihn auf den Tisch.
    »Danke. Fangen wir mit der letzten Chartertour an. Erzählen Sie mir davon.«
    »Was wollen Sie denn wissen?«
    »Alles.«
    Lockridge atmete hörbar aus.
    »Sie wollen ja nicht gerade wenig.«
    Aber er begann, mir die Geschichte zu erzählen. Was er mir zunächst erzählte, deckte sich mit den kurzen Meldungen, die ich in den Zeitungen von Las Vegas gelesen hatte, und mit dem, was ich bei McCalebs Trauerfeier gehört hatte. McCaleb und Lockridge waren mit einem Kunden vier Tage und drei Nächte lang auf einer Chartertour an der Baja California runtergefahren, um Marlins zu fischen. Am vierten Tag, auf der Rückfahrt zum Avalon Harbor auf Catalina, brach McCaleb auf der Brücke zusammen. Sie waren zweiundzwanzig Meilen von der Küste entfernt, auf halbem Weg zwischen San Diego und Los Angeles. Sie schickten einen Funkspruch an die Küstenwache, worauf McCaleb mit dem Hubschrauber in ein Krankenhaus in Long Beach geflogen wurde, wo allerdings nur noch sein Tod festgestellt werden konnte.
    Als Lockridge fertig war, nickte ich, als stimmte alles mit dem überein, was ich gehört hatte.
    »Haben Sie gesehen, wie er zusammenbrach?«
    »Nein. Gesehen habe ich es nicht. Aber gespürt.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Na ja, er stand oben am Ruder. Ich war mit dem Charterkunden in der Plicht. Wir hatten Kurs nach Norden genommen, waren schon auf dem Heimweg. Der Kunde hatte genug vom Fischen, deshalb

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