Die Rückkehr des Tanzlehrers
Telefon oder im Polizeipräsidium in Östersund erreichen. Aber kannst du mir noch etwas sagen? Hat Herbert Molin sich jemals bedroht gefühlt? Alles kann wichtig sein. Unsere Ermittlung steht noch auf ziemlich schwachen Füßen. Keine Zeugen. Kein Motiv. Kein konkreter Anhaltspunkt. Die Kompaßnadel dreht sich.«
Er lauschte schweigend. Der Wagen der Spurensicherung fuhr auf den Hof. Giuseppe beendete das Gespräch und zog die Telefonnummer noch einmal deutlich nach.
Der Polizist aus Boras hatte etwas Wichtiges gesagt. Herbert Molin hatte Angst gehabt. Er hatte nie eine Erklärung für seine Angst gegeben, aber Lindman war seiner Sache sicher. Molin hatte eine ständige Angst mit sich herumgeschleppt.
Es waren zwei Männer von der Spurensicherung gekommen. Beide jung. Giuseppe arbeitete gern mit ihnen zusammen. Sie waren sehr energisch und gingen effektiv und sorgfältig vor. Sie betraten gemeinsam das Haus, in dem die beiden die Untersuchungen fortführen sollten. Giuseppe ging vorsichtig auf Zehenspitzen umher und betrachtete das Blut, das sich auf dem Fußboden und an den Wänden befand. Während die Kriminaltechniker ihre Overalls anzogen, versuchte Giuseppe, sich noch einmal in das, was eigentlich passiert war, hineinzuversetzen.
Der äußere Verlauf war ihm jetzt klar. Zuerst hatte der Täter den Hund getötet. Danach hatte er die Fenster zerstört und Tränengas ins Haus geschossen. Nicht die Tränengaspatronen hatten die Fensterscheiben zerschlagen. Auf dem Hofplatz hatten sie eine Reihe von Patronenhülsen gefunden, die aus einem Jagdgewehr abgegeben worden waren. Der Mann, der sich dort draußen befunden hatte, war methodisch vorgegangen. Als das Ganze begonnen hatte, schlief Herbert Molin wahrscheinlich noch. Zumindest lag er im Bett. Der Täter hatte ihn nackt an den Waldrand geschleift. Aber Molins Pullover und seine Hose waren blutverschmiert im Sand am Fuß der Treppe gefunden worden. Die große Menge Tränengaspatronenhülsen wies darauf hin, daß der stechende Rauch das ganze Haus erfüllt haben mußte. Molin war mit seiner Schrotflinte in der Hand auf den Hofplatz geflohen. Er hatte auch mehrere Schüsse abfeuern können, aber dann war er nicht weitergekommen. Das Gewehr hatte auf dem Boden gelegen. Giuseppe war klar, daß Herbert Molin praktisch blind gewesen sein mußte, als er auf den Hofplatz hinausgelaufen war. Er hatte außerdem nur unter großen Schwierigkeiten atmen können.
Herbert Molin war aus seinem Haus gejagt worden und wehrlos gewesen, als der Täter ihn ins Freie torkeln sah.
Giuseppe ging vorsichtig zu dem Raum neben dem Wohnzimmer. Dort befand sich das größte Rätsel. Ein Bett mit einer blutigen Puppe, so groß wie ein Mensch. Sie hatten zunächst gedacht, daß es sich um eine Art sexueller Attrappe handelte, die Molin sich in seiner Einsamkeit angeschafft hatte, aber die Puppe besaß keine Körperöffnungen. Die Bügel an den Füßen erklärten dann, daß es eine Tanzpuppe war. Die wichtigste Frage, die sie zu beantworten hatten, war jedoch, warum sie blutverschmiert war. War Molin in das Zimmer geflüchtet, bevor das Tränengas es ihm unmöglich machte, im Haus zu bleiben? Aber warum war die Puppe dann blutverschmiert? Giuseppe und die anderen Kriminalbeamten, die an den ersten sechs Tagen den Tatort untersucht hatten, waren noch nicht zu einer plausiblen Erklärung gekommen. Giuseppe hoffte, sich an diesem Tag der Lösung der Frage zu nähern, warum die Puppe Blutspuren aufwies. Da war etwas mit dieser Puppe, was ihn mit Unruhe erfüllte. Sie verbarg etwas.
Er verließ das Haus und ging hinaus auf den Hofplatz, um frische Luft zu schnappen. Sein Handy klingelte. Es war der Polizeipräsident von Östersund. Giuseppe berichtete wahrheitsgemäß, daß sie bei der Arbeit waren, daß aber der Tatort bisher nichts Neues ergeben hatte.
Hanna Tunberg saß in Östersund im Gespräch mit Arthur Nyman zusammen, einem Kriminalassistenten und Giuseppes engstem Mitarbeiter. Weiter wußte der Polizeipräsident mitzuteilen, daß Molins Tochter, die sich in Deutschland aufgehalten hatte, auf dem Rückweg nach Schweden war. Der Sohn, der als Steward auf einem Kreuzfahrtschiff in der Karibik arbeitete, war ebenfalls informiert worden.
Die erste Ehefrau, die Mutter der beiden Kinder, war vor einigen Jahren gestorben. Giuseppe hatte mehrere Stunden damit verbracht, diesen Todesfall zu überprüfen. Die Frau war eines natürlichen Todes gestorben. Außerdem waren Molin und seine erste
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