Die Rückkehr des Tanzlehrers
Polizeipräsidium verlassen, um zum Friseur zu gehen, als ihm jemand einen Telefonhörer in die Hand drückte. Die Frau am anderen Ende schrie. Um zu begreifen, was sie sagte, mußte er den Hörer ein Stück vom Ohr entfernt halten. Er hatte sofort zwei Dinge verstanden. Die Frau war furchtbar aufgeregt, aber sie war nüchtern. Er hatte sich an einen Tisch gesetzt und einen Kollegblock herangezogen. Nach ein paar Minuten war es ihm gelungen, die Notizen annähernd zu einem Bild dessen zu sortieren, was sie ihm zu erklären versuchte. Die Frau hieß Hanna Tunberg. Sie putzte zweimal im Monat bei einem Mann namens Herbert Molin, der dreißig Kilometer von Sveg entfernt auf einem Hof mit dem Namen Rätmyren lebte. Als sie an diesem Tag dorthin gekommen war, lag der Hund tot im Zwinger und alle Fensterscheiben des Hauses waren zerstört. Sie hatte nicht zu bleiben gewagt, weil sie annahm, daß der Mann, der dort wohnte, verrückt geworden sei. Sie war wieder nach Sveg gefahren und hatte ihren Mann geholt, der Rentner war. Zusammen waren sie zum Hof zurückgekehrt. Es war ungefähr vier Uhr nachmittags. Sie hatten schon zu diesem Zeitpunkt daran gedacht, die Polizei zu rufen, sich aber entschieden zu warten, bis sie sicher waren, was eigentlich vorgefallen war.
Ein Entschluß, den sie hinterher bitter bereut hatten. Der Mann war ins Haus gegangen und sofort wieder herausgekommen. Er hatte seiner Frau, die beim Auto wartete, zugerufen, daß da drinnen alles voller Blut sei. Dann hatte er etwas am Waldrand liegen sehen. Er war hingegangen. War zusammengezuckt. War zum Auto zurückgelaufen und hatte sich heftig übergeben. Als er sich etwas erholt hatte, fuhren sie auf direktem Weg zurück nach Sveg, und der Mann, der ein schwaches Herz hatte, legte sich auf die Couch. Hanna Tunberg rief bei der Polizei in Sveg an, und von dort wurde das Telefonat nach Östersund weitergeleitet. Giuseppe notierte den Namen und die Telefonnummer der Frau. Er hatte gleich noch einmal zurückgerufen, um sicher zu sein, daß die Nummer stimmte. Und daß er den Namen des Toten richtig verstanden hatte. Herbert Molin. Als er zum zweitenmal den Hörer aufgelegt hatte, ließ er den Gedanken ans Haareschneiden fallen.
Er war sogleich zu ihrem Einsatzchef Rundström gegangen, um ihm die Situation zu schildern. Zwanzig Minuten später war er in einem Polizeiwagen mit Blaulicht unterwegs nach Sveg. Gleichzeitig hatte sich die Spurensicherung darauf vorbereitet, ihm zu folgen.
Sie waren kurz nach halb sieben bei dem Hof angekommen. Es war bereits dunkel. An der Stelle, an der man von der Hauptstraße abbiegen mußte, hatte Hanna Tunberg in ihrem Wagen gewartet. Zusammen mit Kommissar Erik Johansson, der in Sveg arbeitete und gerade von einem Einsatz zurückgekehrt war: Ein Holzlaster war in der Nähe von Ytterhog-dal umgestürzt. Giuseppe hatte in ihren Augen gelesen, daß sie am Fundort kein schöner Anblick erwartete. Zuerst waren sie zu der Stelle am Waldrand gegangen, die Hanna Tunberg ihnen beschrieben hatte. Sie mußten tief Luft holen, als sie den toten Körper mit den Taschenlampen anleuchteten. Giuseppe hatte sie verstanden. Er war der Meinung, das meiste gesehen zu haben, was es überhaupt zu sehen gab. Daß Selbstmörder sich mit Schrotflinten ins Gesicht geschossen hatten, war mehrfach vorgekommen. Aber der Anblick des Mannes, der dort auf dem Boden lag, war schlimmer als alles, was er bisher zu sehen gezwungen war. Eigentlich war es kein Mensch mehr, sondern eine blutige Masse. Das Gesicht war völlig zerstört, die Füße blutige Klumpen, der Rücken so zerfetzt, daß die Knochen hervortraten. Sie hatten sich dann mit Taschenlampen und gezogenen Waffen dem Haus genähert. Da wußten sie bereits, daß wirklich ein toter Elchhund im Hundezwinger lag. Als sie ins Haus kamen, mußten sie einsehen, daß Hanna Tunbergs Bericht dessen, was ihr Mann gesehen hatte, nicht übertrieben war. Der Fußboden war voller Blut und Glassplitter. Um der Spurensicherung nicht ins Handwerk zu pfuschen, waren sie an der Tür stehengeblieben. Hanna Tunberg saß die ganze Zeit im Wagen, die Hände ums Lenkrad gekrampft. Sie tat Giuseppe leid. Er wußte, daß das, was sie an diesem Tag erlebt hatte, sie nie wieder verlassen würde. Wie eine Angst oder ein ständig wiederkehrender Alptraum.
Giuseppe hatte Erik fortgeschickt, um an der Hauptstraße auf die Spurensicherung zu warten. Er hatte ihm ebenfalls den Auftrag erteilt, Hanna Tunbergs Aussage ordentlich
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