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Die Rückkehr des Tanzlehrers

Die Rückkehr des Tanzlehrers

Titel: Die Rückkehr des Tanzlehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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ihm die Kehle durchgeschnitten. Der Täter war mit Peitschen und einem Tränengasgewehr ausgerüstet gewesen. Das deutete nicht auf Zufall hin. Alles war wohldurchdacht. Die Wut war in eine genaue Planung eingebettet.
    Wut, dachte Giuseppe. Wut und Rachsucht. Ein Plan. Das hieß aber gleichzeitig, daß derjenige, der Molin ermordet hatte, den Hof schon zuvor besucht haben mußte. Vielleicht auch mehrmals. Jemand konnte bemerkt haben, daß sich unbekannte Menschen in der Nähe des Hofes aufhielten. Oder es war umgekehrt, und niemand hatte etwas gesehen. Dann bedeutete es, daß der oder die Mörder in Molins Bekanntenkreis zu suchen waren.
    Aber Molin hatte keinen Bekanntenkreis gehabt. Das konnte Hanna Tunberg mit großer Entschiedenheit sagen. Herbert
    Molin hatte mit niemandem verkehrt. Er war ein Einzelgänger gewesen.
    Noch einmal ging er in Gedanken den Ablauf des Geschehens durch. Irgendwie festigte sich das Gefühl, daß der Täter allein gewesen war.
    Mit ausgeklügelter und gut geplanter Grausamkeit war Herbert Molin getötet und nackt am Waldrand zurückgelassen worden.
    Die Frage war nun, ob er »nur« ermordet worden war, oder ob es sich um eine regelrechte Hinrichtung gehandelt hatte.
    Er mußte jetzt das Reichskriminalamt kontaktieren und Expertenhilfe anfordern. Es ging hier nicht um irgendeinen gewöhnlichen, banalen Scheißmord. Giuseppe war sich immer sicherer, daß er es mit einer gut geplanten Hinrichtung zu tun hatte.
    Es war zwanzig Minuten vor zehn, als Giuseppe auf den Hof von Herbert Molins Haus einbog. Es war kein Polizeiwagen vor Ort, aber die Absperrbänder waren noch da. Giuseppe stieg aus. Wind war aufgekommen. Das Rauschen des Waldes lag wie ein dumpfer Ton über dem Herbstmorgen. Giuseppe stand vollkommen still und sah sich langsam um. Die Männer der Spurensicherung hatten genau an der Stelle, an der er angehalten hatte, eine Wagenspur entdeckt. Reifenabdrücke, die nicht zu Molins altem Volvo gehörten. Jedesmal, wenn Giuseppe an einen Tatort kam, versuchte er sich vorzustellen, was vor sich gegangen war. Wer war aus dem fremden Wagen gestiegen? Und wann? Es mußte in der Nacht gewesen sein. Der Gerichtsmediziner hatte den exakten Todeszeitpunkt noch nicht feststellen können. Er hatte jedoch in seinem vorläufigen Bericht anklingen lassen, daß die Mißhandlungen lange gedauert haben dürften. Wie viele Peitschenschläge Molin genau getroffen hatten, ließ sich nicht feststellen, aber er konnte mit Unterbrechungen viele Stunden lang geschlagen worden sein. Im Kopf ging Giuseppe aufs neue die Gedanken durch, die ihn schon während der Fahrt von Östersund beschäftigt hatten. Die Wut und die Rachsucht.
    Der einsame Täter.
    Alles gut geplant.
    Kein Totschlag im Affekt.
    Sein Handy klingelte. Er fuhr zusammen. Er hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt, daß er auch tief im Wald erreichbar war.
    Er nahm das Handy aus der Jackentasche und meldete sich. »Giuseppe.«
    Schon oft hatte er seine Mutter dafür verflucht, daß sie ihn nach einem italienischen Schmalzsänger benannt hatte, den sie in ihrer Jugend an einem Sommerabend im Volkspark von Östersund gehört hatte. Während seiner Schulzeit war er ständig deswegen gehänselt worden, und jedesmal, wenn ihn jemand anrief und er seinen Namen nannte, entstand ein Zögern am anderen Ende der Leitung.
    »Giuseppe Larsson?«
    »Das bin ich.«
    Er lauschte. Der Mann, der anrief, stellte sich als Stefan Lindman vor und war Polizist. Er rief aus Boras an.
    Stefan Lindman erzählte, daß er mit Molin zusammengearbeitet habe und sich frage, was eigentlich passiert sei. Giuseppe bat, zurückrufen zu dürfen. Es war vorgekommen, daß Journalisten sich als Polizisten ausgegeben hatten, und dieses Risiko wollte er nicht eingehen. Stefan Lindman verstand. Giuseppe fand nichts zu schreiben und malte die Nummer mit der Schuhspitze in den Sand. Er wählte, und Lindman meldete sich. Es konnte natürlich immer noch ein Journalist sein. Genaugenommen hätte Giuseppe das Polizeipräsidium in Boras anrufen und fragen müssen, ob dort ein Polizist namens Stefan Lindman arbeitete. Die Wortwahl des Mannes und seine Art sich auszudrücken überzeugten ihn jedoch, und er versuchte auf Lindmans Fragen zu antworten. Aber es war schwer am Telefon. Außerdem war der Empfang schlecht. Aus der Entfernung hörte er, daß der Lieferwagen der Spurensicherung sich näherte.
    »Ich habe deine Nummer«, sagte Giuseppe, »und du kannst mich später wieder über dieses

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