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Die Rückkehr des Tanzlehrers

Die Rückkehr des Tanzlehrers

Titel: Die Rückkehr des Tanzlehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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nie gezögert hatte. Aber sie war ihrem Vater gegenüber nicht unkritisch. Er hatte politische Ideale vertreten, deren Formen veraltet waren. Sie gehörte einer neuen Zeit an, die ihre Ideale vom absoluten Recht des Stärkeren, ihre Vorstellungen von Übermenschen und Untermenschen der Wirklichkeit anpaßten, in der sie sich befanden. Sie beschrieb die nackte und uneingeschränkte Macht. Das Recht der starken Minderheit, über die Schwachen und Armen zu herrschen.
    Sie benutzte Worte wie >untauglich<, >Untermenschen<, >die Horden der Armen<, >Abschaum<, >Bodensatz<, und sie beschrieb eine Welt, in der für die Menschen in den armen Ländern der Untergang vorgezeichnet war. Sie schrieb den gesamten afrikanischen Kontinent ab. Mit einigen wenigen Ausnahmen. Ländern, in denen noch starke Diktatoren herrschten. Afrika war ein Kontinent, der sich selbst überlassen werden sollte, um zu verbluten. Der keine Unterstützung bekommen, sondern im Gegenteil isoliert werden und von sich aus sterben sollte. Ihr Weltbild war von der Überzeugung bestimmt, daß die neue Zeit der elektronischen Netzwerke Menschen wie ihr die Überlegenheit und die Instrumente in die Hand gaben, die sie benötigten, um ihre Herrschaft über die Welt zu konsolidieren.
    Stefan hörte zu und dachte, daß sie wahnsinnig sein mußte. Sie glaubte allen Ernstes an das, was sie sagte. Sie sprach aus tiefster Überzeugung und verstand nicht die Absurdität ihrer Haltung. Ein wahnwitziger Traum, der niemals in Erfüllung gehen konnte.
    »Sie haben meinen Vater getötet«, endete sie. »Sie haben ihn getötet, und deswegen werde ich Sie töten. Ich habe verstanden, daß Sie nicht von hier verschwunden sind, weil Sie wissen wollten, was Abraham Andersson zugestoßen ist. Er war ein unbedeutender Mensch, dem es irgendwie gelungen war, etwas über die Vergangenheit meines Vaters herauszufinden. Deswegen mußte er sterben.«
    »Haben Sie ihn getötet?«
    Fernando Hereira hatte begriffen. Stefan sah einen Mann vor sich, der sich von einem lebenslangen Alptraum befreit hatte, nur um sogleich in einen neuen geschleudert zu werden.
    »Es gibt ein internationales Netzwerk«, sagte Veronica Molin, »zu dem die schwedische Stiftung > Schwedens Wohl< gehört. Ich bin eine der Führerinnen. Eine unsichtbare Person im Hintergrund. Aber ich bin auch Mitglied in der kleinen Gruppe von Menschen, die das nationalsozialistische Netzwerk auf globaler Ebene leiten. Abraham Andersson hinzurichten, um uns zu versichern, daß er sein Wissen nie enthüllen könnte, bedeutete für uns keine Schwierigkeit. Es gibt viele, die bereit sind, einen erteilten Befehl sofort zu befolgen. Ohne zu fragen und ohne zu zögern.«
    »Wie ist er darauf gekommen, daß Ihr Vater Nazi war?«
    »Eigentlich begann es mit Elsa. Ein unglücklicher Zufall. Elsa hat eine Schwester, die viele Jahre lang im Sinfonieorchester in Helsingborg spielte. Sie erwähnte Abraham Andersson gegenüber, daß Elsa in Sveg wohnte und Nationalsozialistin sei, als er beschloß, hierherzuziehen. Er spionierte sie aus, und dann auch meinen Vater. Als er begann, meinen Vater zu erpressen, unterschrieb er sein eigenes Todesurteil.«
    »Magnus Holmström«, sagte Stefan. »Hieß er so, der Mann, dem Sie den Befehl gaben, Abraham Andersson zu töten? Haben Sie oder er das Schrotgewehr in den Fluß geworfen, als Abraham Andersson tot war? Und waren Sie es, die Elsa Berggren dazu zwang, die Schuld auf sich zu nehmen? Haben Sie auch sie bedroht? Haben Sie auch ihr gedroht, sie umzubringen?«
    »Sie wissen eine ganze Menge«, meinte sie. »Aber das hilft Ihnen nichts.«
    »Was haben Sie eigentlich vor?«
    »Sie zu töten«, sagte sie kalt. »Aber zuerst werde ich den Mann ausmerzen, der meinen Vater getötet hat.«
    >Ausmerzen<, sie ist wirklich wahnsinnig, dachte Stefan. Vollkommen wahnsinnig. Wenn Giuseppe nicht einträfe, mußte er versuchen, an ihre Waffe zu kommen. Von Fernando Hereiras Seite konnte er keine Hilfe erwarten. Er hatte inzwischen zu viel getrunken. Er konnte auch nicht davon ausgehen, sie zur Abkehr von ihrem Vorhaben überreden zu können. Ihm war jetzt vollkommen klar, daß er eine Wahnsinnige vor sich hatte. Sie würde nicht zögern zu schießen, wenn er sie angriffe.
    Zeit, dachte er, ich brauche Zeit.
    »Sie werden nie davonkommen«, sagte er.
    »Natürlich werde ich das«, erwiderte sie. »Niemand weiß, daß wir hier sind. Ich erschieße diesen Mann, der meinen Vater getötet hat, und Sie. Anschließend

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