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Die Rückkehr des Tanzlehrers

Die Rückkehr des Tanzlehrers

Titel: Die Rückkehr des Tanzlehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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auf ihn geschossen. Versucht, ihn zu töten. Es machte ihn rasend. Sie hatte ihn nicht nur getäuscht, sondern auch versucht, Fernando Hereira, Giuseppe und ihn selbst zu töten. Wenn alles ein bißchen anders verlaufen wäre, könnten jetzt drei tote Menschen auf dem Fußboden in Elsa Berggrens Haus liegen, statt zweier verletzter und einem, der überhaupt nicht getroffen worden war.
    Stefan kam aus dem Haus. Björn Wigren stand am Gartentor. Als er Stefan sah, lief er davon, aber Stefan brüllte hinter ihm her, stehenzubleiben.
    Björn Wigrens Kiefer bewegten sich unruhig. Die Augen starrten. Ich sollte ihm eine langen, dachte Stefan. Seine Neugier hätte uns beinah alle das Leben gekostet.
    »Wohin ist sie gelaufen«, brüllte er. »In welche Richtung?«
    Björn Wigren deutete auf den Weg, der am Fluß entlang zu der neuen Brücke führte.
    »Bleiben Sie hier stehen«, sagte Stefan. »Und bewegen Sie sich nicht von der Stelle. Polizisten und Krankenwagen sind unterwegs. Sagen Sie ihnen, daß es hier ist.«
    Björn Wigren nickte. Er stellte keine Fragen.
    Stefan begann zu laufen. Der Weg war verlassen. Aus dem Fenster eines Hauses am Weg starrte ein Gesicht. Er versuchte, Veronica Molins Fußspuren zu entdecken, aber es waren einfach zu viele Fuß- und Wagenspuren im Schnee. Er blieb stehen und entsicherte die Waffe. Dann lief er weiter. Das Dämmerlicht war noch schwach. Schwere Wolken hingen am Himmel. Als er an die Brücke kam, hielt er inne. Nirgendwo konnte er Veronica Molin entdecken. Er versuchte, ruhig zu denken. Sie hatte keinen Wagen. Es war etwas geschehen, was sie nicht geplant hatte. Sie war auf der Flucht und gezwungen zu improvisieren. Wahrscheinlich versuchte sie, sich ein Auto zu beschaffen. Sie wird es kaum wagen, zum Hotel zurückzukehren. Sie weiß, daß ich gesehen habe, was auf ihrem Laptop ist. Auch wenn auf dem Bildschirm nur das Hakenkreuz und darunter ein Brief gewesen ist, in dem Veronica Molin über die Unvergänglichkeit der alten nationalsozialistischen Ideale redet. Sie weiß, daß es keine Rolle mehr spielt, was sich im Computer verbirgt. Sie hat versucht, drei Menschen zu erschießen. Sie hat nur die Wahl, zu fliehen oder aufzugeben. Und sie hat nicht aufgegeben.
    Er lief über die Brücke. Auf der anderen Brückenseite lagen zwei Tankstellen. Alles wirkte ruhig. Ein paar Autofahrer tankten. Stefan blieb stehen und sah sich um. Wenn jemand versucht hätte, mit gezogener Waffe ein Auto an sich zu bringen, wäre es hier nicht so ruhig. Er versuchte sich vorzustellen, wie sie dachte. Sie brauchte unbedingt einen Wagen.
    Aber plötzlich begann ein Warnsignal in ihm zu schrillen. Dachte er falsch? Hinter dem ruhigen und kühlen Äußeren hatte er in einen verwirrten, fanatischen Menschen geblickt. Vielleicht reagierte sie ganz anders, als er glaubte. Sein Blick fiel auf die Kirche, die links von ihm lag. Was hatte sie gesagt? Mein Vater wurde gerächt, bevor er beerdigt wird. Er starrte weiter auf die Kirche.
    Konnte es möglich sein? Er hatte nichts zu verlieren. Von fern hörte er Sirenen. Stefan lief zur Kirche hinauf. Das Hauptportal war nur angelehnt. Vorsichtig schob er die Tür auf. Sie knarrte leise. Er öffnete sie gerade so weit, daß er sich hindurchzwängen konnte, und stellte sich schnell an die Wand des Vorraums. Die Sirenen hörte er nicht mehr. Die Kirchenwände waren dick. Behutsam öffnete er eine der Türen, die ins Innere führten. Ganz vorn im Mittelgang vor dem Altar stand ein Sarg. Herbert Molins Sarg. Stefan ging in die Hocke und hielt Giuseppes Waffe mit beiden Händen. Es war niemand da. Er schlich hinein und suchte hinter der letzten Bankreihe Deckung. Alles war still. Er sah vorsichtig über die Rückenlehne der Bank. Veronica Molin war nirgendwo zu sehen. Er dachte, daß er sich geirrt hatte, daß er die Kirche ebensogut verlassen konnte, als er vom Chor her ein schwaches Geräusch vernahm. Es war aus der Sakristei hinter dem Altarbild gekommen. Er horchte. Es kam kein weiteres Geräusch. Er sah ein, daß er sich vermutlich geirrt hatte. Dennoch wollte er die Kirche nicht verlassen, ohne sich versichert zu haben, daß sie leer war. Langsam ging er den Mittelgang hinunter. Immer noch geduckt, mit der Waffe im Anschlag. Als er sich direkt neben dem Sarg befand, blieb er erneut stehen und horchte. Er schaute zum Altarbild auf. Die Jesusgestalt schwebte, im Vordergrund kniete ein römischer Soldat. In der Sakristei war es still. Er ging am Altarring entlang und

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