Die Rückkehr des Tanzlehrers
arrangiere ich das Ganze so, daß es aussieht, als hätten Sie ihn erschossen und hinterher Selbstmord begangen. Niemand wird es für besonders seltsam halten, wenn ein Polizist mit einem Krebsleiden Selbstmord begeht. Besonders nicht, nachdem er einen anderen Menschen erschossen hat. Die Waffe kann nicht zu mir zurückverfolgt werden. Ich gehe von hier zur Kirche, wo in ein paar Stunden mein Vater beerdigt wird. Niemand wird auch nur auf den Gedanken kommen, daß eine Tochter, die ihren Vater beerdigt, die Stunden davor noch schnell dazu nutzt, zwei Menschen zu töten. Ich werde dort am Sarg stehen. Die trauernde Tochter. Und ich werde Freude darüber empfinden, daß mein Vater gerächt worden ist, bevor er beerdigt wird.«
Stefan hörte plötzlich ein schwaches Geräusch hinter sich. Er wußte sofort, was es war. Die Haustür wurde geöffnet. Er wandte vorsichtig den Kopf und sah, wie Giuseppe den Flur betrat. Ihre Blicke trafen sich. Giuseppe bewegte sich lautlos. Er hatte eine Waffe in der Hand. Innerhalb weniger Sekunden hatte sich die Situation verändert.
Ich muß ihn verstehen lassen, was hier abläuft, dachte Stefan. »Sie sind also der Meinung, daß Sie uns nacheinander erschießen können«, sagte er. »Mit der Pistole, die Sie in der Hand halten. Und Sie glauben, Sie werden davonkommen?«
Sie erstarrte. Plötzlich war sie wachsam. »Warum sprechen Sie so laut?«
»Ich spreche genau wie vorher.«
Sie schüttelte den Kopf und bewegte sich zur Seite, so daß sie in den Flur hinausblicken konnte. Giuseppe war nicht zu sehen. Er wird hinter der Tür sein, dachte Stefan, und es kann ihm nicht entgangen sein, was ich gesagt habe.
Veronica Molin stand reglos da und horchte. Wie ein Tier in der Nacht, das sein Gehör aufs äußerste anstrengt, dachte Stefan.
Dann ging alles sehr schnell. Sie bewegte sich wieder. Diesmal zur Tür hin. Stefan wußte, daß sie nicht zögern würde zu schießen. Sie war zu weit von ihm entfernt, als daß er sich ihr entgegenwerfen könnte, bevor sie sich umgedreht und einen Schuß auf ihn abgegeben hätte. Aus so kurzer Entfernung würde sie ihn auch kaum verfehlen. Gerade als sie die Tür erreichte, griff er nach der Lampe, die auf dem Tisch neben dem
Stuhl stand, und warf sie mit aller Kraft in eines der Fenster. Die Scheibe zerbarst. Im selben Augenblick warf er sich nach vorn. Auf Fernando Hereira zu. Das Sofa und er stürzten um. Als er auf dem Fußboden neben Hereira landete, nahm er noch wahr, daß sie sich umdrehte. Sie hielt die Waffe immer noch im Anschlag. Sie schoß. Stefan schloß die Augen und konnte noch denken, daß er sterben würde, bevor der Schuß ihm mit einem gewaltigen Knall entgegenkam. Fernando Hereira zuckte zusammen. Seine Stirn war blutig. Dann knallte es wieder. Als Stefan begriff, daß er auch diesmal nicht getroffen war, blickte er auf und sah, daß Giuseppe auf dem Fußboden zusammengebrochen war. Veronica Molin war verschwunden. Die Haustür stand weit offen. Fernando Hereira stöhnte. Doch er hatte nur einen Streifschuß an der Schläfe abbekommen. Stefan sprang auf, stolperte über das umgestürzte Sofa und ging zu Giuseppe, der auf dem Rücken lag und die Hände an eine Stelle zwischen dem Hals und der rechten Schulter preßte. Stefan kniete sich neben ihn.
»Ich glaube, es ist nicht so schlimm«, sagte Giuseppe. Sein Gesicht war weiß vom Schmerz und vom Schock.
Stefan stand auf, holte ein Handtuch aus der Toilette und drückte es an die blutende Schulter.
»Ruf an. Sie sollen Unterstützung schicken«, sagte Giuseppe. »Und such sie.«
Stefan wählte an Elsa Berggrens Telefon den Polizeinotruf. Er hörte sich ins Telefon schreien. Währenddessen erhob sich Fernando Hereira vom Fußboden und sank in einen Sessel. Der Telefonwachhabende bei der Polizei in Östersund versprach, augenblicklich Maßnahmen einzuleiten.
»Ich komme schon klar«, sagte Giuseppe noch einmal. »Warte nicht, sieh zu, daß du hinterherkommst. Such sie. Ist die Frau verrückt?«
»Total verrückt. Sie ist Nazi, genau wie ihr Vater. Vielleicht sogar noch fanatischer.«
»Das erklärt alles«, sagte Giuseppe. »Obwohl ich im Augenblick nicht genau weiß, was.«
»Rede nicht. Beweg dich nicht.«
»Am besten wartest du, bis du Verstärkung bekommst«, sagte Giuseppe. »Ich habe falsch gedacht. Bleib hier. Sie ist zu gefährlich. Du kannst nicht allein hinter ihr her.«
Aber Stefan hatte bereits Giuseppes Waffe ergriffen. Er hatte nicht vor, zu warten. Sie hatte
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