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Die Rückkehr des Tanzlehrers

Die Rückkehr des Tanzlehrers

Titel: Die Rückkehr des Tanzlehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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erreicht hatte, war der Vogel verschwunden. Er stand auf und ging zurück. Um Herbert Molins Haus lastete dumpfes Schweigen. Er merkte, wie er fror. Die Kälte der Ereignisse, die sich hier abgespielt hatten, drang ihm in die Knochen.
    Er fuhr zurück in Richtung Sveg. In Linsell hielt er bei Ica an und kaufte eine Lokalzeitung, Härjedalen, die jeden Donnerstag, soweit es kein Feiertag war, herauskam. Der Mann an der Kasse nickte freundlich. Stefan bemerkte, daß er neugierig war.
    »Im Herbst kommen nicht viele Fremde hierher«, sagte der Mann.
    Auf seinem Namensschild war zu lesen, daß er Torbjörn Lundell hieß. Stefan konnte ihm genausogut die Wahrheit sagen. »Ich habe Herbert Molin gekannt. Wir waren Freunde. Wir haben zusammen gearbeitet, bevor er in Pension gegangen ist.«
    Lundell betrachtete ihn forschend. »Polizei«, sagte er. »Schaffen unsere eigenen Polizisten das nicht?«
    »Ich habe nichts mit der Ermittlung zu tun.«
    »Aber Sie sind trotzdem hergekommen. Den ganzen Weg von ... ist es Halland?«
    »Västergötland. Ich habe Urlaub. Hat Herbert erzählt, daß er aus Boras gekommen ist?«
    Lundell schüttelte den Kopf. »Das haben die Polizisten gesagt. Aber er hat hier eingekauft. Alle zwei Wochen. Immer donnerstags. Hat nie ein Wort zuviel gesagt, immer die gleichen Sachen gekauft. Mit dem Kaffee war er allerdings eigen. Den mußte ich extra für ihn bestellen. Französischen Kaffee.«
    »Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
    »Donnerstag in der Woche vor seinem Tod.«
    »Haben Sie etwas Auffälliges an ihm bemerkt?«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen?«
    »War er anders?«
    »Er war wie immer. Hat kein Wort mehr gesagt als unbedingt nötig.«
    Stefan überlegte. Er hätte nicht einfach so in seine Berufsrolle verfallen dürfen. Jetzt würde sich das Gerücht verbreiten, daß ein Polizist von weit her zu Besuch gekommen war und neugierige Fragen stellte. Dennoch gab es eine Frage, die zu stellen er nicht lassen konnte. »Haben Sie in der letzten Zeit keine anderen Kunden gehabt? Die sonst nicht herkommen?«
    »Das haben die aus Östersund auch gefragt. Und ein Polizist aus Sveg. Ich habe ihnen gesagt, wie es war. Abgesehen von ein paar Norwegern und einem belgischen Beerenpflücker in der vorigen Woche sind keine Leute hiergewesen, die ich nicht kenne.«
    Stefan bedankte sich, verließ den Laden und fuhr weiter. Es war dunkel geworden. Er merkte, daß er Hunger hatte.
    Auf eine seiner Fragen hatte er immerhin eine Antwort erhalten. Es gab Polizisten in Sveg. Auch wenn die Ermittlung von Östersund aus geleitet wurde.
    Kurz vor Glissjöberg lief plötzlich ein Elch über die Fahrbahn. Die Scheinwerfer erfaßten ihn, und Stefan konnte gerade noch bremsen. Der Elch verschwand auf der anderen Seite der Straße zwischen den Bäumen. Stefan wartete ab, ob noch weitere Tiere folgten, aber die Fahrbahn lag verlassen vor ihm.
    In Sveg parkte er vor dem Hotel. In der Rezeption saßen einige Männer in Overalls und unterhielten sich. Er ging hinauf in sein Zimmer und setzte sich aufs Bett. Sofort kehrten die Gedanken an seine Krankheit zurück. Er sah sich in einem Bett liegen. Überall an seinem Körper und im Gesicht waren Schläuche befestigt. Elena saß auf einem Stuhl neben dem Bett und weinte.
    Er erhob sich heftig und schlug mit der Faust hart gegen die Wand. Fast im selben Moment klopfte jemand an seine Tür.
    Es war einer der Testfahrer. »Wolltest du was?« fragte er.
    »Was sollte ich wollen?«
    »Du hast an die Wand geklopft.«
    »Das muß von draußen gekommen sein.«
    Stefan schlug dem Testfahrer die Tür vor der Nase zu. Jetzt habe ich mir in Härjedalen meinen ersten Feind gemacht, dachte er. Dabei sollte ich mir mehr denn je Freunde schaffen.
    Der Gedanke hallte in seinem Innern nach. Warum hatte er so wenig Freunde? Warum zog er nicht mit Elena zusammen und begann das Leben, das er eigentlich führen wollte? Warum lebte er so, daß er verlassen war, wenn er von einer schweren Krankheit heimgesucht wurde? Er fand keine Antwort.
    Er dachte einen Moment daran, Elena anzurufen, entschied sich jedoch dafür, zuerst zu essen. Im Speisesaal wählte er einen
    Tisch an einem der Fenster. Er war der einzige Gast. Aus der Kneipe war ein Fernseher zu hören. Zu seiner Verwunderung hatte sich das Mädchen aus der Rezeption jetzt umgezogen und servierte. Er bestellte ein Beefsteak und Bier. Während er aß, blätterte er die Zeitung durch, die er in Linsell gekauft hatte. Die Todesanzeigen las er

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