Die Rückkehr des Tanzlehrers
hieß und Polizist war. Seine Frau nahm ab. Stefan erklärte, wer er war. Die Frau hörte sich freundlich an. Sie sagte, Giuseppe sei draußen in der Garage und beschäftige sich mit seinem Hobby. Während er wartete, fragte sich Stefan, was für ein Hobby das sein mochte. Und warum hatte er selbst keins? Außer Fußball. Bevor es ihm gelang, eine Antwort zu finden, kam Giuseppe an den Apparat.
»Stefan Lindman«, sagte Stefan. »Aus Boras. Ich hoffe, ich, rufe nicht zu spät an?«
»Fast. In einer halben Stunde hätte ich geschlafen. Wo bist du?«
»In Sveg.«
»Also ganz in der Nähe«, Giuseppe lachte in den Hörer. »Für uns sind hundertneunzig Kilometer nicht weit. Wohin kommst du, wenn du von Boras aus hundertneunzig Kilometer in eine Richtung fährst?«
»Fast bis nach Malmö.«
»Ja, da kann man mal sehen.«
»Ich hatte vor, morgen nach Östersund zu fahren.«
»Du bist willkommen. Ich bin schon frühmorgens dort. Das Polizeipräsidium liegt auf der Rückseite von Glesbygdsverket. Die Stadt ist klein, du wirst dich leicht zurechtfinden. Wann wolltest du kommen?«
»Ich richte mich nach dir. Wann du Zeit hast.«
»Elf Uhr paßt mir gut. Um neun haben wir ein Treffen unserer niedlichen kleinen Mordkommission.«
»Habt ihr schon einen Verdächtigen?«
»Nichts haben wir«, erwiderte Giuseppe munter. »Aber wir werden den Fall schon aufklären. Morgen wollen wir darüber beraten, ob wir Hilfe aus Stockholm anfordern. Zumindest jemanden, der uns ein Täterprofil erstellen kann, damit wir wissen, was für ein Bursche das ist, nach dem wir suchen. Könnte interessant sein. Mit so etwas haben wir uns hier bisher nicht beschäftigt.«
»Die sind clever«, sagte Stefan. »Wir haben dann und wann ihre Hilfe in Anspruch genommen.«
»Dann erwarte ich dich also um elf.«
Nach dem Telefonat ging er hinaus. Der Testfahrer im Raum nebenan schnarchte. Stefan stieg so leise er konnte die Treppe ins Erdgeschoß hinunter. Der Zimmerschlüssel paßte auch für die Außentür. In der Rezeption war das Licht gelöscht. Die Tür zum Speisesaal war geschlossen. Es war halb elf. Als er hinauskam, merkte er, wie windig es geworden war. Er zog die Jacke fest um sich und begann die verlassenen Straßen entlangzulaufen. Er kam zum Bahnhof, der dunkel und verschlossen war. Nachdem er eine Anschlagtafel gelesen hatte, war ihm klar, daß keine Züge mehr durch Sveg fuhren. Die Inlandbahn, dachte er. So hieß die Strecke früher. Jetzt liegen hier nur noch die Gleise. Er setzte seine nächtliche Wanderung fort. Kam an einem Park mit Schaukeln und Tennisplätzen vorbei und gelangte schließlich zur Kirche. Die Tür war verschlossen. Er ging weiter. Direkt gegenüber der Schule stand die Statue eines Holzfällers. Im Schein der Straßenlampe versuchte Stefan den Gesichtsausdruck des Holzfällers zu deuten. Aber das Gesicht blieb stumm. Bisher war ihm kein einziger Mensch begegnet. Er ging weiter und kam zu einer Tankstelle, an der noch eine Würstchenbude geöffnet war. Nachdem er gegessen hatte, ging er zurück zum Hotel. Er lag eine Weile im Bett und sah bei heruntergedrehtem Ton fern. Das Schnarchen des Testfahrers war durch die dünne Wand zu hören.
Es war fast halb fünf, als er endlich einschlief.
Um sieben Uhr stand er wieder auf. In seinem Kopf rotierten müde Gedanken. Im Speisesaal, der voller morgenfrischer Testfahrer war, suchte er sich einen Platz, wo er allein sitzen konnte. Das Mädchen aus der Rezeption war wieder Kellnerin.
»Haben Sie gut geschlafen?« fragte sie. »Ja, danke«, erwiderte er und hätte gern gewußt, ob sie ihm glaubte.
Als er in Östersund ankam, fing es an zu regnen. Er irrte in der Stadt umher, bis er zu dem dunklen Gebäude kam, das ein rotes Schild zierte: Glesbygdsverket. Er fragte sich, womit sich eine solche Behörde wohl beschäftigte. Erleichterte sie die Stillegung der schwedischen Provinz?
Er fand einen Parkplatz in einer Querstraße und blieb im Wagen sitzen. Es waren noch fünfundvierzig Minuten, bis er Giuseppe treffen konnte. Er ließ die Rückenlehne herunter und schloß die Augen. Ich habe den Tod im Körper, dachte er. Ich sollte das ernst nehmen. Aber es gelingt mir nicht. Man kann den Tod nicht ernst nehmen. Zumindest nicht den eigenen. Daß Herbert Molin tot ist, kann ich verstehen. Ich habe die Spuren seines Todeskampfes gesehen. Aber mein eigener Tod? Den kann ich mir nicht vorstellen. Der ist wie der Elch, der vor Glissjöberg über die Straße gelaufen ist. Ich
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