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Die Rückkehr des Tanzlehrers

Die Rückkehr des Tanzlehrers

Titel: Die Rückkehr des Tanzlehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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haben.«
    »Herbert hatte mich darum gebeten. Er hatte kurz vor seiner Pensionierung angerufen. Er wollte, daß ich ihm helfe.«
    »Sie kannten sich also?«
    Sie sah ihn abweisend an. »Wie hätte er mich sonst um Hilfe bitten sollen?«
    »Ich versuche zu verstehen, was für ein Mensch er war. Ich habe eingesehen, daß der Mann, mit dem zusammen ich gearbeitet habe, nicht der war, für den ich ihn gehalten habe.«
    »Auf welche Weise?«
    »Auf viele Weisen.«
    Sie stand aus dem Sessel auf und richtete eine Gardine vor einem der Fenster. »Ich kannte Herberts erste Frau«, sagte sie. »Wir waren Schulfreundinnen. Und so lernte ich auch Herbert kennen. Das war, als er in Stockholm lebte. Dann, als sie sich trennten, verlor ich den Kontakt zu ihr, aber nicht zu ihm.«
    Sie ging zu ihrem Sessel zurück. »Das war alles. Jetzt ist er tot. Und ich trauere um ihn.«
    »Wußten Sie, daß seine Tochter Veronica hier ist?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das wußte ich nicht. Aber ich rechne nicht damit, daß sie mich besucht. Ich habe Herbert gekannt, nicht seine Kinder.«
    »Ist er hierhergezogen, weil Sie hier wohnten?«
    Sie blickte ihm starr in die Augen. »Das ging nur ihn und mich etwas an. Und jetzt geht es nur noch mich an.«
    »Selbstverständlich.«
    Stefan trank seinen Kaffee. Die Geschichte von der ersten Frau klang glaubwürdig. Dennoch spürte er, daß etwas von dem, was sie erzählte, nicht stimmte. Etwas, was er eigentlich erkennen müßte.
    Er stellte die Tasse ab. Sie war blau und hatte einen Goldrand. »Können Sie sich denken, wer ihn getötet hat?«
    »Nein. Und Sie?«
    Stefan schüttelte den Kopf.
    »Ein alter Mann, der in Frieden leben will«, fuhr sie fort. »Wer sollte ihn töten wollen?«
    Stefan sah auf seine Hände hinunter. »Es muß jemanden gegeben haben, der es wollte«, sagte er vorsichtig.
    Dann dachte er, daß er eigentlich nur noch eine Frage stellen mußte. »Ich finde es ein bißchen eigenartig, daß Sie nicht mit der Polizei in Östersund gesprochen haben. Mit denen, die die Ermittlung durchführen.«
    »Ich habe darauf gewartet, daß sie sich bei mir melden.«
    Plötzlich war sich Stefan sicher. Die Frau ihm gegenüber sagte nicht die Wahrheit. Aber er konnte nicht genau benennen, was es war.
    »Es wundert mich, daß Herbert hierhergezogen ist«, sagte Stefan. »Warum wählt man einen so einsamen Ort zum Leben?«
    »Hier ist es nicht einsam«, entgegnete Elsa Berggren. »Wenn man will, gibt es viel zu tun. Heute abend gehe ich zum Beispiel in ein Konzert. Ein Organist aus Sundsvall spielt in der Kirche.«
    »Ich habe von Erik Johansson gehört, daß Sie eine Tanzschule betreiben?«
    »Kinder sollen tanzen lernen. Wenn kein anderer es ihnen
    beibringt, dann tue ich es. Aber ich weiß nicht, ob ich es noch lange durchhalte.«
    Stefan entschied sich, nicht auf das Tanzinteresse von Herbert Molin zu sprechen zu kommen. Er hatte keine Fragen mehr. Es war Giuseppe, der sie stellen sollte. Niemand sonst.
    Irgendwo klingelte ein Telefon. Sie entschuldigte sich und verließ den Raum. Stefan erhob sich. Wählte schnell zwischen der Balkontür und einem Fenster. Löste zwei Haken des Fensters und schob es soweit wie möglich auf, ohne daß der Spalt zu sehen war. Dann setzte er sich wieder. Nach ein paar Minuten kehrte sie zurück.
    »Ich möchte Sie nicht länger stören«, sagte Stefan und stand auf. »Vielen Dank für den Kaffee. Man bekommt selten so starken Kaffee.«
    »Warum muß immer alles schwach sein?« fragte sie. »Alles ist heutzutage schwach. Nicht nur der Kaffee. Auch die Menschen sind es.«
    Stefan hatte seine Jacke in den Flur gehängt. Während er sie anzog, suchte er nach Anzeichen dafür, daß es in dem Haus eine Alarmanlage gab. Aber er fand keine.
    Während er zurück ins Hotel fuhr, dachte er darüber nach, was Elsa Berggren über schwachen Kaffee und schwache Menschen gesagt hatte.
    Das Mädchen in der Rezeption schien froher zu sein. An der Anschlagtafel hing ein gelber Zettel, aus dem hervorging, daß am gleichen Abend um halb acht in der Kirche ein Orgelkonzert beginnen sollte. Das ganze Programm bestand aus Musik von Johann Sebastian Bach.
    Um kurz nach sieben ging Stefan zur Kirche. Er stellte sich etwas abseits an die Friedhofsmauer und wartete. Er hörte, wie sich der Organist einspielte. Als es fünf vor halb acht geworden war, trat er einen Schritt tiefer ins Dunkel zurück. Elsa Berggren erschien und verschwand in der Kirche.
    Stefan eilte zum Hotel und setzte sich

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