Die Rückkehr des Tanzlehrers
würde bedeuten, daß ein langwieriges und geduldiges Graben in den Archiven erforderlich sein würde.
Es gab noch eine dritte Möglichkeit. Etwas, was mit Elsa Berggren zusammenhing. Hatte die Uniform in ihrem Kleiderschrank etwas mit Herbert Molin zu tun? Oder gab es in Elsa Berggrens Vergangenheit etwas, was mit der Hitlerzeit in Deutschland verknüpft werden konnte?
Stefan rechnete nach. Björn Wigren zufolge waren Elsa Berggren und Herbert Molin ungefähr gleich alt. Wenn er 1923 geboren war, konnte Elsa Berggren ein paar Jahre später geboren sein. Vielleicht 1924 oder 25. Sie war also fünfzehn Jahre alt, als der Krieg ausbrach, und einundzwanzig, als er endete. Stefan schüttelte den Kopf. Das paßte nicht. Aber Elsa Berggren hat einen Vater gehabt, dachte er, und vielleicht einen älteren Bruder. Er machte sich Notizen. Elsa Berggren lebt allein, bezieht ein Einkommen aus unbekannter Quelle, ist auf der Hut. Er machte wieder eine Notiz. Herbert und Elsa. Ihrer eigenen Aussage nach kennt sie Herbert seit seiner ersten Ehe. Als sie davon erzählte, hatte er den Eindruck gehabt, daß sie nicht die Wahrheit sagte. Aber er konnte sich irren.
Weiter kam er nicht. Er legte den Notizblock zur Seite. Am folgenden Tag würde er mit Giuseppe sprechen. Er würde nach Östersund hinauffahren. Wenn das getan wäre, würde er nach Boras zurückkehren. Während er sich anzog, überlegte er, ob er Elena vorschlagen sollte, sich eine Woche freizunehmen, um mit ihm in den Süden zu fahren. Aber er war sich nicht sicher, ob es ihm nicht zuviel würde. Es war nicht leicht, zu entscheiden, ob er Gesellschaft haben oder allein sein wollte.
Er ging ins Badezimmer, machte den Mund auf und streckte die Zunge heraus. Der Knoten war nicht zu sehen, aber er war da. Er betrachtete sein Gesicht und stellte fest, daß er blaß war. Dann setzte er sich in Gedanken die Uniformmütze auf, die er auf der Ablage in Elsa Berggrens Kleiderschrank gefunden hatte. Versuchte sich an die Rangbezeichnungen zu erinnern, die es in der SS gegeben hatte. Rottenführer Lindman. Unterscharführer Lindman.
Er nahm die unsichtbare Mütze vom Kopf und wusch sich das Gesicht. Als er das Badezimmer verließ, ging der Western seinem Ende entgegen. Der Mann, der noch vor kurzem eine Schlinge um den Hals hatte, saß zusammen mit einer vollbusigen Frau an einem Eßtisch in einem Blockhaus. Stefan nahm die Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus.
Dann rief er Elena an. Sie meldete sich fast sofort.
»Ich fahre morgen hier ab. Vielleicht schaffe ich es, schon morgen abend bis nach Hause.«
»Fahr nur nicht zu schnell.«
»Ich wollte es nur sagen. Ich bin müde. Wir reden weiter, wenn ich nach Hause gekommen bin.«
»Wie geht es?«
»Womit?«
»Dir selbst.«
Er sagte, daß er darüber im Moment nicht sprechen wolle, und Elena verstand ihn.
Er trank noch ein Glas Wein, bevor er ins Bett ging. Vor dem Fenster fiel der nasse Schnee weiter auf den bereits weißen Boden.
Einen Besuch habe ich noch zu machen, dachte er, bevor er einschlief. Einen Menschen will ich noch treffen, bevor ich mit Giuseppe rede und all dies hinter mir lasse.
Kurz vor der Morgendämmerung erwachte er mit starken Schmerzen in der Backe. Außerdem hatte er Fieber. Er lag unbeweglich im Dunkeln und versuchte die Schmerzen wegzudenken. Aber es war unmöglich. Als er aufstand, fuhr der Schmerz durch seinen Körper. Er suchte nach einer Packung Kopfschmerztabletten und löste zwei Stück in einem Glas Wasser. Fragte sich, ob er in der Nacht komisch gelegen hatte. Aber er wußte, daß der Schmerz von innen kam. Die Ärztin hatte ihn gewarnt. Es könnten plötzlich Schmerzen auftreten. Er leerte das Glas und legte sich wieder hin, um darauf zu warten, daß die Schmerzen nachließen. Aber es wurde nicht besser. Es wurde sieben Uhr, ohne daß er sich aufraffen konnte, hinunterzugehen und zu frühstücken.
Eine Stunde später hielt er es nicht mehr aus. Er suchte die Telefonnummer des Krankenhauses in Boras und hatte Glück. Seine Ärztin meldete sich direkt, nachdem er verbunden worden war. Er berichtete von seinen Schmerzen. Sie versprach, ihm ein Rezept auszustellen und es telefonisch an die Apotheke in Sveg durchzugeben. Wenn die Schmerzen nicht nachließen, sollte er sich noch einmal melden. Stefan legte sich wieder ins Bett. Die Ärztin hatte versprochen, sich sofort darum zu kümmern. Er nahm sich vor, es noch eine Stunde auszuhalten. Dann würde er zur Apotheke hinunterfahren,
Weitere Kostenlose Bücher