Die Rückkehr des Tanzlehrers
Mattson-Herzen geheißen hatte. Der Hintergrund war verschwommen, es konnte aber eine Hauswand sein. Das zweite zeigte Molin allein. Es war in einem Atelier aufgenommen, dessen Name auf der Unterkante des Bildes eingestanzt war. Auf dem dritten stand Herbert Molin neben einem Motorrad mit Seitenwagen. Er hielt eine Waffe in der Hand. Er lachte auch auf diesem Bild in die Kamera.
Stefan legte die Fotos nebeneinander.
Eins war auf allen dreien gleich.
Herbert Molins Kleidung. Seine Uniform.
Die gleiche wie die, die in Elsa Berggrens Kleiderschrank hing.
Es gab eine Geschichte über Schottland. Sie befand sich ungefähr in der Mitte des Tagebuchs. Wie eine unerwartete Parenthese eingeschoben in den Lebensbericht, den Herbert Molin geschrieben hatte.
Im Mai 1972 macht Herbert Molin zwei Wochen Urlaub. Mit dem Schiff fährt er von Göteborg nach Immingham an der englischen Ostküste. Er reist mit dem Zug weiter und kommt am Spätnachmittag des 11. Mai in Glasgow an. Dort steigt er in Smiths Hotel ab, das seiner Beschreibung nach in der Nähe einiger Museen und der Universität liegt. Aber er besucht keine Museen. Am folgenden Tag mietet er einen Wagen und fährt nach Norden. Im Tagebuch notiert er Orte wie Kinross, Dunkeld und Spean Bridge. Er fährt an diesem Tag noch bis nach Drumnadrochit an der Westseite des Loch Ness, wo er übernachtet. Mit Seeungeheuern hat er allerdings wenig im Sinn.
Früh am Morgen des 13. Mai macht er sich wieder auf den Weg und erreicht am Nachmittag sein Ziel, die Stadt Dornoch, die auf einer Landspitze an der Ostküste der schottischen Highlands liegt. Er steigt in einem Hotel unten am Hafen ab, dem Rosedale Hotel, und stellt fest, daß »die Luft hier anders ist als in Västergötland«. Was sie anders macht, schreibt er nicht. Jetzt ist er in Dornoch. Es ist Mitte Mai 1972, und bisher hat er nicht zu erkennen gegeben, warum er hierhergefahren ist. Nichts, außer daß er »M« treffen wird. Und er trifft »M« bereits am selben Abend. »Langer Spaziergang mit M durch die Stadt« schreibt er. »Starker Wind, aber kein Regen.« In den folgenden sieben Tagen notiert er stets dasselbe. »Langer Spaziergang mit M durch die Stadt.« Sonst nichts. Das einzige, was er bemerkenswert findet, ist, daß das Wetter ständig wechselt. Es scheint in Dornoch stets windig zu sein, aber manchmal »gießt es in Strömen«, manchmal sieht es »bedrohlich« aus. Ein einziges Mal, Donnerstag, den 18. Mai, »scheint die Sonne«, und es ist »ziemlich warm«. Ob er denselben Mietwagen fährt oder ob er den ersten zurückgegeben und danach für die Rückreise einen neuen gemietet hat, geht aus seinen Aufzeichnungen nicht hervor. Dagegen seine Verwunderung, als er im Rosedale Hotel die Rechnung bezahlen will und »es nicht mehr kostete«. Einige Tage später, nach einem vierundzwanzigstündigen unfreiwilligen Aufenthalt in Immingham, weil »eine Fähre Maschinenschaden hat«, kehrt er nach Göteborg und Boras zurück. Am 26. Mai ist er wieder im Dienst.
Die Geschichte über Schottland liegt dort wie eine verblüffende Ausnahme mitten im Tagebuch. Einem Tagebuch, das mit großen zeitlichen Unterbrechungen geführt worden ist. Manchmal waren Jahre zwischen den Anlässen vergangen, bei denen Herbert Molin zur Feder gegriffen hatte.
Die Reise nach Schottland und in die Stadt Dornoch macht Molin, um eine Person zu treffen, die »M« heißt. Sie gehen spazieren. Immer abends. Wer »M« ist, worüber sie sprechen, wird nicht erwähnt. Sie gehen spazieren. Sonst nichts.
Nur einmal, am Mittwoch, den 17. Mai, hat sich Herbert Molin einen seiner äußerst seltenen persönlichen Kommentare erlaubt. »Erwache an diesem Morgen ausgeschlafen. Sehe ein, daß ich diese Reise schon längst hätte machen sollen.« Das ist alles. »Erwache an diesem Morgen ausgeschlafen.« Es ist ein Kommentar, der auf vielerlei Weise entscheidend sein kann, denn große Teile des Tagebuchs handeln von Molins Schlafschwierigkeiten. Aber in Dornoch ist er ausgeschlafen aufgewacht. Und er hat eingesehen, daß er die Reise schon vor langer Zeit hätte machen sollen.
Es war schon Nachmittag geworden, als Stefan diese Stelle erreichte. Als er das Paket gefunden hatte, war sein erster Gedanke gewesen, das Tagebuch mit ins Hotel zu nehmen. Dann hatte er sich plötzlich anders entschieden und war zum zweitenmal durch das Fenster in Herbert Molins Haus gestiegen. Er hatte die Puzzleteile auf dem Wohnzimmertisch beiseite geschoben und das Tagebuch vor
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