Die Rückkehr des Tanzlehrers
auf den Schuppen. Als er den Tatort zum erstenmal besucht hatte, war er nicht hineingegangen. Damals hatte ihn das Wohnhaus interessiert. Er ging hinüber und öffnete die Tür. Es war ein einziger Raum mit einem betonierten Fußboden. Er machte das Licht an. An einer der Wände war Holz gestapelt. Auf der gegenüberliegenden Seite standen ein Regal mit Werkzeug und ein Blechschrank. Stefan öffnete den Schrank und dachte, daß dort vielleicht eine Uniform hinge. Aber es waren nur ein schmutziger Overall und ein Paar Gummistiefel darin. Er machte die Blechtür wieder zu und sah sich im Raum um. Was erzählt er, fragte er sich. Der Holzstapel sagt wohl nicht mehr, als daß Herbert Molin gewußt hat, wie man einen perfekten Holzstapel aufschichtet. Er trat an das Regal. Und was erzählte das Werkzeug? Keine unerwartete Geschichte.
Stefan dachte an seine Kindheit und daran, daß sein Vater in Kinna einen Werkzeugschuppen hatte. Da sah es genauso aus. Herbert Molin hatte sich genau das angeschafft, was er brauchte, um kleinere Reparaturen am Haus und am Wagen auszuführen. Es gab nichts, was nicht ins Bild paßte. Kein Detail, das Stefans Aufmerksamkeit auf sich zog und begann, eine unerwartete Geschichte zu erzählen. Er sah sich weiter um.
In einer Ecke standen Ski und Skistöcke. Stefan nahm einen der Ski und trug ihn zur Tür. Die Bindung war ausgeleiert. Herbert Molin hatte die Ski also benutzt. Vielleicht war er bei schönem Wetter über den See gelaufen, wenn er zugefroren war. Weil es ihm Spaß gemacht hatte? Oder weil er sich Bewegung verschaffen wollte? War er damit zum Eisangeln losgezogen?
Er stellte den Ski zurück. Hier war etwas Unerwartetes. Noch ein Paar Ski, kürzer. Damenski vielleicht. Plötzlich konnte Stefan zwei Menschen vor sich sehen, die über den zugefrorenen See glitten. In funkelnd klarem Winterwetter. Herbert Molin und Elsa Berggren. Worüber redete man beim Skilaufen? Oder vielleicht redete man nicht? Stefan wußte es nicht. Nur als Kind war er Ski gelaufen. Er ließ den Blick wieder durch den Schuppen wandern. In einer Ecke lagen ein kaputter Tretschlitten, ein paar Drahtrollen und eine Anzahl Dachziegel.
Etwas nahm seine Aufmerksamkeit gefangen. Er schärfte den Blick. Nach etwa einer Minute erkannte er, was es war. Die Dachziegel waren in Unordnung. Hier stimmte das Muster nicht. Herbert Molin hatte sein Holz mit unglaublicher Akkuratesse aufgestapelt. Das galt auch für das Werkzeug.
Es herrschte Ordnung. Aber nicht bei den Dachziegeln. Da herrschte Unordnung. Oder zumindest eine andere Art von Ordnung, dachte Stefan. Er beugte sich nieder und begann, sie zur Seite zu räumen, eine nach der anderen.
Darunter fand er eine Platte aus Metall, die in den Boden eingelassen war. Eine Luke. Sie war verschlossen. Stefan richtete sich auf und holte einen Kuhfuß, den er im Werkzeugregal gesehen hatte. Es gelang ihm, die Brechstange in den Spalt zwischen Fußboden und Lukenkante zu stecken. Er mußte seine ganze Kraft aufwenden, um sie hochzustemmen. Plötzlich gab sie nach und Stefan fiel vornüber. Er schlug mit der Stirn gegen die Wand. Als er sich mit der Hand über den Kopf fuhr, wurde sie blutig. Unter der Werkzeugbank stand eine Kiste mit Putzwolle. Er wischte sich mit einer Handvoll davon die Stirn ab und hielt den Lumpen an die Wunde gedrückt, bis es aufhörte zu bluten.
Dann beugte er sich vor und schaute in das Loch hinein.
Dort lag ein Paket.
Als Stefan es hochhob, sah er, daß es in einen alten schwarzen Regenmantel eingeschlagen war. Herbert Molin war ihm plötzlich sehr nahe. Im Fußboden hatte er etwas versteckt, was niemand außer ihm sehen sollte. Stefan legte das Paket auf das Werkzeugregal, bat Herbert Molin insgeheim um Vergebung und schob dann das Werkzeug beiseite. Das Paket war mit einer groben Schnur zugebunden. Stefan pulte den Knoten auf und faltete den Regenmantel auseinander.
Vor ihm lagen drei Gegenstände. Ein schwarzes Notizbuch, einige Briefe, die mit einem roten Band umwickelt waren, und ein Umschlag. Er öffnete als erstes den Umschlag. Er enthielt Fotos. Stefan wunderte sich nicht über das, was er darauf sah. Er hatte es seit seinem Besuch bei Elsa Berggren geahnt. Im Innersten hatte er es gewußt, und jetzt bekam er die Bestätigung.
Es waren drei Fotos, alle schwarzweiß. Das erste zeigte vier junge Männer, die sich an den Schultern umfaßt hielten. Sie lachten direkt in die Kamera. Einer von ihnen war Herbert Molin, der damals noch
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