Die Rückkehr des Tanzlehrers
»Draußen.«
Sie gingen auf die Rückseite des Hauses. Die Wolken, die über den Himmel zogen, wurden immer dunkler.
»Wie lange hast du vor noch zu bleiben?« fragte Rundström.
»Ich wollte heute fahren. Aber jetzt gehe ich davon aus, daß es erst morgen sein wird.«
Rundström sah ihn forschend an. »Ich habe das Gefühl, daß du mir etwas nicht erzählst. Habe ich recht?«
Stefan schüttelte den Kopf.
»Hat dich nichts mit Molin verbunden, wovon du uns erzählen solltest?«
»Nichts.«
Rundström trat gegen einen Stein auf dem Boden. »Es ist vielleicht das beste, wenn du uns die Ermittlung ab jetzt allein durchführen läßt. Das beste, dich nicht einzumischen.«
»Ich habe nicht die geringste Absicht, mich in eure Arbeit einzumischen.«
Stefan merkte, daß er wütend wurde. Rundström verpackte seine Worte in einer Art zerstreuter Freundlichkeit. Es irritierte Stefan, daß er nicht offen redete.
»Dann sagen wir das«, meinte Rundström. »Es ist übrigens gut, daß du zufällig hergekommen bist. So hat er nicht zu lange dort hängen müssen.«
Rundström wandte sich ab und ging seiner Wege. Stefan sah Giuseppe an einem der Fenster und winkte ihm zu, herauszukommen.
Sie trennten sich bei Stefans Wagen.
»Du fährst also?«
»Morgen.«
»Ich melde mich später noch bei dir.«
»Ruf im Hotel an. Mein Handy ist kaputt.«
Stefan fuhr los. Aber schon nach wenigen Kilometern fühlte er sich schläfrig. Er bog in einen Waldweg ein, stellte den Motor ab und ließ die Rückenlehne seines Sitzes herunter.
Als er erwachte, war er von weißen Wänden umgeben. Es hatte zu schneien begonnen, und der Schnee bedeckte schon die Fenster. Er saß und hielt den Atem an. Kann so der Tod sein, fragte er sich. Ein weißer Raum, in den ein schwaches Licht sickert? Er stellte seine Rückenlehne wieder gerade. Er fühlte sich steif, und sein Körper schmerzte. Er hatte etwas geträumt. Aber er wußte nicht mehr genau, was. Vielleicht etwas von Abraham Anderssons Hund? Hatte der nicht plötzlich an einem seiner Beine geknabbert? Er schüttelte sich. Was auch immer er geträumt hatte, er wollte sich lieber nicht daran erinnern. Er schaute auf die Uhr. Viertel nach elf. Er hatte über zwei Stunden geschlafen. Er öffnete die Tür und stieg aus, um zu pissen. Der Boden war weiß, aber es hatte schon wieder aufgehört zu schneien. Die Bäume standen reglos. Kein Wind, dachte er. Nichts. Wenn ich mich hier herstelle und mich nicht bewege, wäre ich bald in einen Baum verwandelt.
Er fuhr wieder auf die Hauptstraße. Er würde nach Sveg fahren, etwas essen und dann darauf warten, daß Giuseppe von sich hören ließ. Sonst nichts. Er würde ihm von seinem Besuch bei Elsa Berggren erzählen. Von der Naziuniform in der hintersten Ecke ihres Kleiderschranks. In der Nacht hatte es keine Gelegenheit gegeben, darüber zu sprechen. Aber er würde Sveg nicht verlassen, bevor er Giuseppe nicht alles mitgeteilt hatte, was diesem bei seiner Arbeit helfen konnte.
Er näherte sich der Abzweigung zu Herbert Molins Haus. Er hatte nicht geplant, hier anzuhalten. Dennoch bremste er so heftig, daß der Wagen auf der nassen Fahrbahn ins Schleudern geriet. Ein letzter Besuch, dachte er. Ein letzter kurzer Besuch, das ist alles. Er folgte dem Weg bis zum Haus und stieg aus. Auf dem Boden waren Tierspuren. Ein Hase, vermutete er. Er versuchte, sich das Muster der blutigen Schritte in Erinnerung zu rufen, und trat sie in den weißen Schnee. Versuchte, Herbert Molin und seine Puppe vor sich zu sehen. Ein Mann und eine Puppe tanzten Tango im Schnee. Irgendwo am Waldrand saß ein argentinisches Orchester und spielte. Welche Instrumente gehörten eigentlich zu einem Tangoorchester? Gitarre, Geige, Baß? Vielleicht eine Harmonika? Er wußte es nicht. Es war auch nicht wichtig. Herbert Molin tanzte mit dem Tod, ohne es zu wissen. Er ahnte nur, daß er dort draußen im Wald auf ihn wartete. Schon als ich ihn gekannt habe, oder zumindest zu kennen glaubte, war er sich der Bewegungen im Schatten bewußt gewesen. Ein älterer Polizist, der sich nie in irgendeiner Weise hervortat. Der sich aber die Zeit nahm, mit mir zu reden, als ich jung und neu war und nichts darüber wußte, wie es ist, wenn man von einem Besoffenen vollgekotzt wird. Wenn einem eine betrunkene Frau ins Gesicht spuckt. Wenn ein ausgerasteter Psychopath einen umbringen will.
Stefan stand da und betrachtete das Haus. Es sah anders aus, jetzt, wo der Boden weiß war.
Dann fiel sein Blick
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