Die Rückkehr des Tanzlehrers
verlassen und nach Dunkärret hinaufgefahren war. Als er geendet hatte, stellte Rundström ein paar Fragen. Vor allem wollte er die verschiedenen Zeitpunkte wissen. Stefan hatte Geistesgegenwart und Routine genug besessen, sich die Uhrzeiten zu merken. Von seiner Ankunft auf dem Hof ebenso wie vom Zeitpunkt der Entdeckung der Leiche.
Die Besprechung war sehr kurz. Die Spurensicherung wollte so schnell wie möglich weiterarbeiten, weil der Wetterbericht für die zweite Tageshälfte Schneeregen vorausgesagt hatte. Stefan begleitete Giuseppe hinaus auf den Hof.
»Hier stimmt was nicht«, sagte Giuseppe nach kurzem Schweigen. »Du hast angedeutet, daß die Ursache für Herbert Molins Tod irgendwo in seiner Vergangenheit liegen könnte. Für mich klingt das plausibel. Aber wie sollen wir uns hierzu verhalten? Abraham Andersson war kein Polizeibeamter. Er hat in einem Sinfonieorchester Geige gespielt. Es ist unwahrscheinlich, daß Herbert Molin und er einander gekannt haben, bevor sie sich in dieser gottverlassenen Gegend niederließen. Und hier erleidet die Theorie über Herbert Molins Tod Schiffbruch.«
»Das muß erst untersucht werden. Herbert Molin und Abraham Andersson können etwas gemeinsam gehabt haben, wovon wir nichts wissen.«
Giuseppe schüttelte den Kopf. »Natürlich werden wir es untersuchen. Aber ich glaube trotzdem nicht daran.«
Dann lachte er auf. »Polizisten sollen nicht glauben, ich weiß.
Aber trotzdem ist es das, was wir tun. Vom ersten Augenblick an einem Tatort beginnen wir damit, Schlußfolgerungen zu ziehen. Wir knüpfen Netze, ohne sicher zu sein, wie groß die Maschen sein sollen. Auf welchen Fisch wir es abgesehen haben. Oder auch nur, in was für einem Wasser wir es auswerfen wollen. Im Meer oder in einem Bergsee. In einem Fluß oder einem Tümpel im Wald.«
Stefan hatte Probleme, Giuseppes Bildersprache nachzu-vollziehen, aber es hörte sich mitreißend an.
Einer der Hundeführer kam aus dem Wald zurück. Stefan konnte dem Hund ansehen, daß er sich wirklich angestrengt hatte.
»Nichts«, sagte der Hundeführer. »Außerdem glaube ich, daß Stamp krank ist.«
»Wieso? Was hat er denn?«
»Er kotzt sein Fressen aus. Möglicherweise hat er irgendeine Entzündung.«
Giuseppe nickte. Der Hundeführer ging weiter. Stefan blickte den Elchhund an, der unbeweglich an seiner Leine stand und in die Richtung starrte, aus der die Stimmen der Spurensicherung zu hören waren.
»Was ist hier in den Wäldern eigentlich los?« sagte Giuseppe plötzlich. »Mir gefällt das nicht. Es ist wie ein Schatten, der sich in der Dämmerung bewegt. Man weiß nicht, ob es Einbildung oder Wirklichkeit ist.«
»Was für ein Schatten denn?«
»Einer, den wir hier oben nicht gewohnt sind. Herbert Molin ist Opfer eines gutgeplanten Überfalls geworden. Abraham Andersson ist hingerichtet worden. Ich verstehe das nicht.«
Ihr Gespräch wurde von Erik Johansson unterbrochen, der über den Hof zu ihnen rannte. »Das Auto in der Nähe von Särna können wir abschreiben. Das war ein Mann, der es eilig hatte, seine Frau in die Entbindungsklinik zu fahren.«
Giuseppe murmelte etwas Undeutliches. Erik Johansson kehrte ins Haus zurück.
»Was glaubst du?« erkundigte sich Giuseppe. »Was ist eigentlich passiert?«
»Ich würde denselben Ausdruck benutzen. Eine Hinrichtung. Wozu macht man sich sonst die Mühe, einen Mann in den Wald zu bringen, ihn an einem Baum festzuzurren und ihn dann zu erschießen?«
»Wenn es denn in der Reihenfolge stattgefunden hat. Aber das ist auch mein Gedanke«, erwiderte Giuseppe. »Warum macht man sich die Mühe? Es besteht eine Ähnlichkeit mit dem Mord an Herbert Molin. Warum macht man sich die Mühe, blutige Tangoschritte auf dem Fußboden zu hinterlassen?«
Er gab die Antwort selbst. »Um etwas mitzuteilen. Die Frage ist nur, wem. Wir haben das schon früher erlebt. Der Täter sendet einen Gruß. Aber an wen? An uns? Oder an jemand anders? Und warum tut er es, oder warum tun sie es? Wir wissen immer noch nicht, ob es sich um mehr als einen Täter handelt.«
Giuseppe sah zum wolkenverhangenen Himmel auf. »Haben wir es mit einem Wahnsinnigen zu tun? Ist das hier das Ende, oder kommt noch mehr?«
Sie kehrten ins Haus zurück. Rundström redete am Telefon. Die Techniker hatten begonnen, Abraham Anderssons Haus zu untersuchen. Stefan hatte das Gefühl, im Weg zu sein.
Rundström beendete das Gespräch und wies auf Stefan. »Wir sollten ein paar Worte wechseln«, sagte er.
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