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Die Rückkehr (German Edition)

Die Rückkehr (German Edition)

Titel: Die Rückkehr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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spiel–«
    Flap.
    »–mit Mami–«
    Quietsch.
    »–und mir.«
    Flap.
    Sie rannte in das Schlafzimmer, mehr darauf bedacht, ihren kostbaren Skizzenblock und sein Figurenarsenal zu retten, als dem Rotzlöffel die Zähne in den Rachen zu schlagen.
    Das Quietschen hatte aufgehört und Bruce hing in der Luft, ein Stück mit Isolierschicht umgebenen elektrischen Kabels um den Hals, das oben an der Leuchte festgemacht war. Seine schwarze Zunge hing ihm aus dem Mund, seine ausdruckslosen Augen quollen aus ihren Höhlen, das Fleisch um sie herum war eingefallen und violett. Fliegen flogen um seinen Kopf und seine Haut hatte die Farbe von Hüttenkäse.
    Allmächtiger–
    Bevor sie sich entscheiden konnte, ob sie ihn berühren sollte oder ob es schon zu spät war, ging das Licht aus.
    Heiliger Strohsack.
    Sie wusste nicht, ob sie flüchten oder ihren Weg vorwärts fühlen sollte. Das Nachbild der Leuchte hatte orangene Kleckse in ihre Augäpfel eingebrannt, aber das Bild des toten Jungen brannte fast genauso hell.
    Du drehst durch, Mädel, genau wie Bradshaw es vorhergesagt hat. Zu viel Einbildungskraft. Zu viel Fantasie. Zu viel Glaube an die Monster, die du schaffst.
    Zu sehr Diggers Tochter.
    Ihr verrücktes Lachen klang zu laut in dem dunklen Zimmer.
    Das war nicht wirklich. Sie konnte es bis zum Lichtschalter schaffen, das Zimmer wieder in einen funktionstüchtigen Zustand versetzen und einen Weg finden, das Schloss so zu manipulieren, dass Bruce sie nicht mehr stören würde. Und sobald Dad kam, würde sie dafür sorgen, dass er sich bei den Hotelangestellten über den kleinen Knilch beschwerte. Bestimmt hatten sie irgendeine Art von Sicherheitspersonal, auch wenn es nur die alte Mumie von einer Hoteldirektorin war. Ein finsterer Blick aus ihrem runzeligen Hexengesicht würde jedes Kind in Furcht und Zittern ausbrechen lassen.
    Ja. Logik und Vernunft. Viel besser als mit der Töff-Töff-Eisenbahn in die Klapsmühle.
    Eine Hand vor sich hin ausgestreckt, machte sie kurze Schritte nach vorne über den Teppich, während sie sich das Zimmer in Gedanken vorstellte. Die Betten waren dort drüben, der Couchtisch und der Fernsehschrank links, ein freier Pfad in der Mitte, genau dort, wo Bruce hängen würde–
    Er hängt NICHT, verdammt.
    Dennoch wurde sie langsamer und wedelte mit ihrer Hand vor sich hin. Trotz der Lampen, die draußen den Weg zum Haupteingang des Hotels säumten, war das Zimmer viel dunkler, als es eigentlich sein sollte.
    Sie dachte an den verrückten Satz, den die Geisterjäger rezitierten, wenn sie eine rastlose Seele zur Ruhe im großen Unbekannten schickten: »Geh dem Licht entgegen.«
    Zähle bis drei und tu es.
    Zähle bis drei...
    Bleib und spiel mit Mama und mir.
    »Kendra?«
    Die Frauenstimme ließ ihren Herzschlag aussetzen.
    Sie konnte sie nicht richtig zuordnen, aber sie war ihr auch nicht unbekannt. Die Vertrautheit war in ihren Zellen gespeichert, auf einer genetischen Ebene, und sie hatte sie auf ein paar Heimvideos von Dad gehört, in den langen Nächten, in denen es ihn nach einer ernsthaften Dosis an Melancholie verlangt hatte. Sie hatte sie gehört, als sie in einem warmen, liebenden Schoß saß und sich in hunderte von Sackgassen zeichnete.
    »Mom?« Kendra flüsterte, was in der Stille des Zimmers mehr als laut genug war, geradezu ein Schrei, der die ausgeblichene Tapete mit dem Rosenmuster von den Wänden riss und Gips von der Decke regnen ließ.
    Kendra umhüllte sich mit der Dunkelheit des Raums und wartete auf eine Antwort, sie gleichzeitig fürchtend und erhoffend.
    Wenn ich mit der Töff-Töff-Eisenbahn fahre, dann wenigstens mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Wieder vereint, es fühlt sich so gut an. Auch wenn es sich so falsch anfühlt.
    In der Einsamkeit ihrer Kindheit, wenn sie die Artefakte ihrer Mutter und die Liebesbriefchen ihrer Eltern und sogar den letzten Brief, den sie auf ihrem Sterbebett geschrieben hatte, durchblätterte, hatte Kendra oft über die vielen Fragen nachgedacht, die sie niemals stellen konnte. All die Mutter-Tochter-Gespräche, all die Ratschläge und die Weisheit, all das Schimpfen und die Streitereien, all der Zauber und das Rätsel dieser speziellen Bindung – alles abgebrochen, alles gestohlen von einem Arschloch im großen Unbekannten, ein strafender, soziopathischer kleiner Zauberer von Oz, der hinter dem Vorhang an den Fäden zog und dabei die ganze Zeit kicherte.
    Digger hat gesagt, dass sie hier ist. Aber seit wann kann man Digger Glauben

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