Die Rückkehr (German Edition)
verschwommen war. »Du solltest nicht–«
»Für dich lügen. Ich weiß.«
Digger hatte noch seine zerknitterte Kleidung und seine Stiefel an. Er drehte sich vom Sonnenlicht weg, das wie ein anklagender Finger durch das Fenster strömte. Er schluckte Nägel, Glasfasern, Spinnweben und Sand, und trockene Säure glitt zurück nach oben. Sein Puls war unregelmäßig und flatternd.
»Scheiße«, sagte er.
»Könnte schlimmer sein.«
»Wie könnte es schlimmer sein?«
»Ich bin mir nicht sicher, aber es könnte. Mom könnte tot sein oder so.«
Digger öffnete die Augen. Kendra saß auf dem anderen Bett, war fertig angezogen und hatte die Schachtel mit den Anmeldeformularen neben sich.
»Solltest du nicht unten sein zur Anmeldung der Teilnehmer?«
»Die Anmeldung ist vorbei.«
Er leckte seine aufgesprungenen Lippen. »Sie dauert bis Mittag.«
»Es ist gleich zwei.«
Er versuchte, sich aufzusetzen, aber das Sitzen sorgte dafür, dass zu viel Blut in seinen Kopf strömte, weshalb er sich wieder auf die Seite fallen ließ und sich auf einen Ellbogen stützte. Seine Fingerknöchel waren zerschrammt. Er hoffte, er hatte niemanden geschlagen. »Ich hab’s wieder vermasselt.«
»Komm schon«, sagte Kendra, »die Show muss weitergehen. Burton und Cody leiten die Podiumsdiskussionen, und Holmes und die anderen suchen nach Schabe.«
»Schabe?«
»Er ist verschwunden.« Sie blickte ihn prüfend an. »Tippe, du erinnerst dich nicht daran, oder?«
Er schwang seine Beine aus dem Bett und setzte sich hin. Die Übelkeit stieg sofort in ihm hoch. Er war sich nicht sicher, ob er es bis zum Badezimmer schaffen würde. »Abgesehen von Schabe, wie läuft’s?«
»Eine Menge Leute sind wegen der verkorksten Touren sauer. Ein Paar wollte sein Geld zurück.«
»Was hast du ihnen gesagt?«
»Das Kleingedruckte. Keine Rückerstattung nach dem 12. November.«
»Bist du böse?«
»Warum sollte ich böse sein?«
»Du weißt...«
»Was? Ein weiteres gebrochenes Versprechen? Eine weitere Enttäuschung? Eine weitere Chance, den Babysitter für meinen Dad zu spielen? Gibt es da irgendwas, worüber man böse sein könnte?«
»Es ... die Sache mit deiner Mutter...«
»Ich weiß, ich weiß. Nachdem du das abgezogen hattest, hab ich mir auch eingebildet, sie zu sehen. Die Macht der Einflüsterung. Netter Trick.«
»Sie war es.«
»Und wenn sie es war? Du hattest Angst, ihr gegenüber zu treten, und deshalb bist du zurück in die Flasche gekrochen, so wie du es immer tust?«
»Nein, ich habe...«
Ausreden. Er hatte immer welche parat. Cristos hatte ihn dazu gebracht. Gelbaugh. Schuld hat dies, Schuld hat das, Schuld haben diese Leute. Alles ihre Schuld. Und wenn gar nichts mehr half, gab Gott den unübertreffbaren Sündenbock ab.
»Ich habe die Kontrolle verloren«, brachte er den Satz zu Ende, während er gegen den Brechreiz ankämpfte. »Ich hätte es besser wissen sollen, als diesen ersten blöden Drink zu nehmen.«
»Nun, ich hab meine eigenen Probleme. Ich werde von einem zehn Jahre alten Bengel belästigt, der Schlüssel für das gesamte Hotel hat.«
»Es gibt hier keine Kinder.«
»Erzähl das ihm . Ich fühle mich wie sein persönliches Unterhaltungsprogramm. Er erscheint wie aus dem Nichts, nervt mich und spielt mir Streiche. Ich glaube, sein Vater arbeitet hier.«
»Ich werde mit der Direktorin darüber reden.«
Kendra schüttelte den Kopf, ihr dunkles Haar fiel auf ihre Schultern. »Nein, verpetz ihn nicht. Ich werde schon mit ihm fertig. Außerdem ist es ja nur noch für einen Tag.«
»Zwei Uhr. Noch zwei Podiumsdiskussionen bis zum Abendessen.«
»Wo du gerade davon redest: Kannst du irgendwas bei dir behalten? Ich kann dir Orangensaft und Toast besorgen.«
Digger zuckte zusammen. Das war das Menü für seine »Kopfschmerzen« gewesen, wenn ihm die junge Kendra das Frühstück ans Bett brachte, im Glauben, er sei erkältet. Ein Glass Wasser stand auf dem Nachttischchen, aber das Eis darin war bereits geschmolzen. Er nahm einen Schluck. »Das hier ist okay. Danke.«
»Nicht der Rede wert.«
»Ich wollte mich–«
»Nicht der Rede wert.«
»Kendra, ich–«
»Du bringst dich besser auf Vordermann und lässt sich blicken. Der Digger sollte seine Fans nicht für immer im Ungewissen lassen.«
Er nahm noch ein paar Schluck Wasser. Die Flüssigkeit raste durch die schmierigen Tunnel in seinem Inneren. »Sie will mir etwas sagen.«
»Wir glauben nicht an Geister, Dad.«
»Ich habe mein Versprechen
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