Die Rückkehr nach Atlantis ("Alantis"-Trilogie) (German Edition)
schwammen ein fremder Junge und ein Mädchen neben ihr.
»Alles in Ordnung?«, fragte der Junge.
»Ja.« Talita nickte keuchend. »Vielen Dank … für … eure Hilfe. Das … war knapp!« Nach ein paar Minuten wurde ihr Atem ruhiger und ihr Herzschlag normalisierte sich. Sie konnte ihre beiden Retter genauer betrachten.
»Wer seid ihr? Ich habe euch noch nie gesehen. Wohnt ihr in der Oberstadt?«
Das Mädchen wollte antworten, doch der Junge kam ihr zuvor.
»Bist du aus Atlantis?«, fragte er.
»Ja. Ich heiße Talita. Ich wohne in der Unterstadt. Meine Mutter ist Weberin. Ich wollte gerade Muscheln ernten, weil sie wieder neue Seide braucht. Sie webt ein Hochzeitsgewand für Zaidons Braut. Meine Mutter ist die beste Weberin von Atlantis.« Kaum hatte Talita den Satz gesagt, bereute sie es. Er klang so angeberisch. Aber sie wollte nicht, dass die beiden Fremden auf sie herabsahen, weil sie in der Unterstadt lebte. In der Unterstadt wohnten die Armen. Die meisten hatten kaum genug zu essen. Talitas Familie ging es in der letzten Zeit etwas besser, seit ihre Mutter den großen Auftrag erhalten hatte. Darüber waren alle sehr froh.
»Wir kommen von weit her«, sagte der Junge. »Ich heiße Mario.«
»Und ich bin Sheila«, sagte das Mädchen.
»Wir sind fremd hier«, erklärte Mario. »Kannst du uns den Weg nach Atlantis zeigen?«
»Fremd?« Talita wunderte sich. »Aber ihr seid doch Meereswandler! Alle Meereswandler kommen aus Atlantis. Wir sind einzigartig. Niemand sonst kann sowohl Delfin- als auch Menschengestalt annehmen.«
»Na ja … das ist nämlich so …« Der Junge wurde verlegen. Er schien nach einer Erklärung zu suchen.
»Eure Eltern sind geflohen«, sagte Talita, der plötzlich ein Lichtaufging. Es kam immer wieder vor, dass Leute aus der Unterstadt Atlantis heimlich verließen, weil sie hofften, irgendwo ein besseres Zuhause zu finden. Dabei war das streng verboten. Zaidon ließ solche Flüchtlinge erbarmungslos verfolgen. Die, die er erwischte, mussten im Kerker elend verhungern – als abschreckendes Beispiel. Zaidon brauchte die Leute aus der Unterstadt, sie leisteten die meiste Arbeit und ohne sie würde sein Reich nicht funktionieren.
»Aber warum kommt ihr zurück?«, fragte Talita. »Wenn euch Zaidons Leute erwischen, seid ihr dran!«
»Wir … wir müssen etwas erledigen«, antwortete Mario. »Es ist sehr wichtig. Kannst du uns unauffällig in die Stadt bringen?«
Talita überlegte. Wer sich mit Flüchtlingen einließ und ihnen half, machte sich strafbar. Aber die beiden hatten Talita das Leben gerettet und sie war ihnen zu Dank verpflichtet.
»Gut«, sagte sie. »Ich zeige euch den Weg. Doch ihr müsst sehr vorsichtig sein.« Talita verwandelte sich wieder in einen Delfin und die beiden Fremden taten es ihr nach. Jetzt nahm Talita die beiden Amulette wahr, die Mario und Sheila trugen, und sie fragte sich, welche Bedeutung sie wohl hatten. Gehörten sie vielleicht einem Geheimbund an, der Zaidons Sturz plante?
Ein Schauder überlief Talita. Es war ein großer Frevel, so etwas zu denken. Schließlich hatte Zaidon Atlantis gegründet, das schönste Reich auf Erden. Nirgendwo sonst gab es so prächtige Paläste. Zaidon sorgte sehr für das Wohl der Bevölkerung und belohnte jeden für seine Dienste. Selbstverständlich konnte nicht jeder reich sein, denn manche waren einfach nicht zum Reichtum geboren. Doch wer sein Leben lang fleißig gearbeitet undZaidons Regeln und Gesetze befolgt hatte, der kam, sobald er alt oder sehr krank war, auf jeden Fall ins Paradies – nach Talana.
Talana. Allein beim Klang dieses Wortes bildete sich Talita jedes Mal ein, Musik zu hören. Talana musste wunderbar sein! Sie hatte früher oft davon geträumt und sich ausgemalt, wie dort alles sein würde. Keiner musste mehr Hunger leiden, alle hatten dieselben Freiheiten und konnten das Leben in dem schönen Reich genießen.
Selbst jetzt musste sie noch oft an Talana denken, obwohl sie inzwischen ihre Zweifel hatte, ob es dieses Paradies wirklich gab. Und noch mehr Zweifel hatte sie, ob die Alten und Kranken wirklich dorthin kamen, wie Zaidon immer verkündete. Es war jetzt genau vier Wochen her, seit Talita durch Zufall Zeugin eines schrecklichen Ereignisses geworden war. Sie hatte mit niemandem darüber gesprochen, nicht einmal mit ihrer Mutter. Keiner würde ihr glauben. Es war zu ungeheuerlich. Manchmal fragte sich Talita, ob ihre Augen sie nicht getäuscht hatten. Es konnte nicht wahr sein,
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