Die Rückkehr nach Atlantis ("Alantis"-Trilogie) (German Edition)
was sie gesehen hatte. Es widersprach allem, was sie gelernt und woran sie geglaubt hatte. Und es machte ihr große Angst. Denn wenn Zaidons Leute herausfanden, was sie beobachtet hatte, war sie in Lebensgefahr …
Talita verdrängte diese Gedanken und tauchte zum Meeresgrund. Sie benutzte ihr Sonar, um das Messer aufzuspüren, das sie irgendwo zwischen den Muscheln verloren hatte. Nach kurzer Zeit hatte sie es gefunden und nahm es vorsichtig mit dem Schnabel auf. Sie achtete darauf, der Mördermuschel nicht zu nahe zu kommen, um sich kein zweites Mal fangen zu lassen.
»Ich muss noch Muscheln suchen«, sagte sie zu Mario und Sheila.»Meine Mutter wird verrückt, wenn ich ohne Muscheln zurückkomme und sie nicht weiterweben kann. Sie hat ständig Angst, dass das Hochzeitsgewand nicht rechtzeitig fertig wird.«
»Vielleicht können wir dir helfen«, schlug Sheila vor. »Du musst uns nur zeigen, wonach wir suchen sollen.«
Talita fand es sehr nett von den Fremden, dass diese ihr Hilfe anboten. Nach einiger Zeit fand sie eine kleinere Steckmuschel, die aufrecht im Sand steckte.
»Hier, so sehen die Muscheln aus. Die hier ist ziemlich klein, normalerweise würde ich sie noch nicht ernten. Aber es gibt inzwischen so wenige Steckmuscheln. Die Muschelseide ist begehrt und sehr wertvoll. Niemand außer Zaidon und seinen Vertrauten darf ein Gewand aus Muschelseide tragen.« Talita dämpfte ihre Stimme. »Es ist zwar streng verboten, aber ich vermute, dass manche Leute heimlich Muscheln ernten und die teure Seide an Schmuggler verkaufen. Die bringen dann die Waren in ferne Länder.«
Sie erklärte Mario und Sheila, dass der wertvolle Teil der Muscheln die Barthaare waren, mit denen sich die Muscheln im Boden festhielten. Ein einzelnes Haar konnte bis zu zwanzig Zentimeter lang werden. Man musste die Muschel vorsichtig ausgraben oder aus dem Boden ziehen, um den Faserbart – den Byssus – nicht zu beschädigen.
»Die feinen Haare müssen gereinigt und gekämmt werden«, berichtete Talita. »Zum Schluss werden sie mit der Hand zu einem Faden gesponnen. Die Seide sieht aus wie Gold – wunderschön.«
»Warum wachsen hier so viele Muschelarten?«, wollte Sheila wissen. »Ich kenne mich ein bisschen aus. Die gehören doch normalerweise in ganz verschiedene Lebensräume und benötigen unterschiedliche Wassertemperatur und verschiedenen Salzgehalt zum Leben. Seegras … Korallen … Hier gibt es alles! Das kann doch eigentlich gar nicht sein.«
»Zaidon hat Gärtner beauftragt, die die Umgebung von Atlantis nach seinen Vorstellungen gestaltet haben«, antwortete Talita. »Man munkelt, dass die Gärtner auch Magie angewandt haben.« Ihr war nicht wohl dabei, über Zauberei zu sprechen, es war ihr unheimlich. »Ich weiß nicht, ob das stimmt. Ich kenne Atlantis nicht anders. Mir fällt in der letzten Zeit nur auf, dass ich Mühe habe, genügend Steckmuscheln zu finden.«
»Hier ist wieder eine«, rief Mario und deutete auf eine größere Muschel.
»Gut«, sagte Talita.
Um die Muschel zu ernten, musste sie sich wieder verwandeln, denn als Delfin konnte sie kein Messer benutzen. Es war eine anstrengende Arbeit, aber mit Sheilas und Marios Hilfe kam Talita schneller voran als sonst. Schließlich hatte sie genügend Muscheln beisammen, holte ihr Netz, das sie an einem Felsen hinterlegt hatte, und füllte es.
»Vielen Dank für eure Hilfe«, sagte Talita. »Meine Mutter wird sich über so viele Muscheln freuen.«
»Bringst du uns jetzt nach Atlantis?«, fragte Mario.
»Ja.« Talita nickte. »Seid vorsichtig«, schärfte sie ihren neuen Freunden noch einmal ein. »Am besten lasst ihr mich antworten, wenn wir den Wachen begegnen. Ich will nicht, dass ihr Schwierigkeiten bekommt.«
2. Kapitel
Die blinde Seherin
»Was siehst du?« Die Stimme des Herrschers war schneidend.
»Im Moment noch nichts, Herr«, antwortete Saskandra. »Leider. Die Bilder kommen nicht immer auf Befehl.«
»Ach ja?«
Der Raum kam Saskandra plötzlich kalt vor und sie fröstelte. Seit sie blind war, hatten Stimmen für sie eine besondere Bedeutung. Die Art und Weise, wie Menschen sprachen, sagte viel über ihren Charakter aus. Saskandra konnte anhand des Tonfalls sogar herausfinden, wie ihr Gegenüber gelaunt war.
Und Zaidon war gereizt.
Saskandra spürte seine Ungeduld. Er wollte unbedingt alles über seine Zukunft erfahren. Saskandra wusste, dass er mindestens einmal in der Woche die Sterndeuter kommen ließ, um sich weissagen zu lassen.
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