Die Rueckkehr
Haarsträhne aus dem Gesicht. Mein Haar fühlte sich strohig an, meine Locken waren zerzaust und ich knotete sie mit einer schnellen Bewegung am Hinterkopf zusammen. Dann griff ich nach meiner Tasche und kritzelte ein paar Zeilen für meine Großmutter auf einen Zettel. Sicher würde sie sich Sorgen machen, wenn sie uns nach ihrer Rückkehr nicht mehr vorfand, ganz zu schweigen von meinen Eltern. Ich hatte wirklich keine Ahnung, wie ich ihnen erklären sollte, dass ich mich mitten im Semester in Chicago aufhielt, statt fleißig die ziemlich teure Collegebank zu drücken. Hoffentlich hatte sich die Polizei noch nicht bei ihnen gemeldet. Alles, was ich jetzt noch gebrauchen konnte, waren meine aufgebrachten Eltern.
Wir huschten durch den verlassenen Hausflur hinaus in die Dunkelheit. Das Auto stand noch immer an der Stelle, an der wir es am Vormittag geparkt hatten. Alles sah aus wie immer. Ich hatte keine Ahnung, was ich eigentlich erwartet hatte? Vielleicht ein paar Monster, die darauf Walzer tanzten? Wundern würde mich mittlerweile fast gar nichts mehr.
Diese Welt war noch viel verrückter, als ich es mir jemals hätte träumen lassen!
Schweigend rutschte ich auf den Beifahrersitz und griff nach meinem Handy. Ohne weiter darüber nachzudenken, wählte ich Vanessas Nummer. Gerade, als ich schon wieder auflegen wollte, hob sie ab.
"Ja, es geht mir gut, nein, ich weiß noch nicht, wann ich wiederkomme."
"Nette Begrüßung", gab ich trocken zurück.
"Ich wollte nur mal ein paar Tage abschalten, aber ihr macht hier ein Theater." Vanessa klang genervt.
"Wir?", fragte ich beunruhigt.
Sam warf mir einen fragenden Blick zu, während er den Wagen auf die Straße lenkte.
"Xander ruft ständig an und fragt, ob ich weiß, wo ihr steckt. Wirklich, ich habe auch ein noch ein eigenes Leben. Ich bin nicht dein Babysitter!"
"Vanessa, du bist in Gefahr!", unterbrach ich sie aufgeregt.
"Wovon sprichst du? Ist Xander jetzt doch zu den bösen Jungs übergewechselt? Hatte er das Leben als weichgespülter Vampir satt?" Sie lachte verdrießlich.
"Ich meine es ernst, Van. Du bist in ernsthafter Gefahr. Ashley hat Philipp getötet… und Matt… Joanne, Kylie." Ich schluckte schwer.
"Ashley hat was? Wovon redest du?"
"Ashley ist jetzt eine von ihnen." Ich sah Sam kurz von der Seite an, doch er reagierte nicht. "Sie und Greg haben es auf uns abgesehen und sie benutzen dabei Xander für ihre Zwecke."
"Ich verstehe kein Wort. Ich dachte, Joanne und Kylie sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen." Ich konnte deutlich das Zittern in ihrer Stimme hören. "Das hat mir jedenfalls meine Mom erzählt."
"Du hast davon gehört?" Ich sah, wie Sam mit dem Wagen Richtung Autobahn fuhr. Nicht mehr lange und wir hatten auch Chicago hinter uns gelassen. Und dann? Was dann? Wer würde uns zuerst finden? Ashley? Der Hunter? Die Polizei?
Ich drehte mich Richtung Tür und presste mein erhitztes Gesicht gegen die eiskalte Fensterscheibe. Das Gefühl tat gut.
"Ich bin in Parkerville, Lily. Hier kannst du nichts verheimlichen. Absolut nichts, das solltest du langsam wissen."
Ich nickte, doch ich wusste gleichzeitig, dass das nicht stimmte. Niemand wusste, was mit Sam geschehen war. Niemand kannte die Wahrheit. Fast niemand.
"Sag ihr, sie soll zu meiner Mutter gehen", schaltete Sam sich ein. "Sie weiß, wie sie sich schützen können."
"Dann bin ich echt in Gefahr?" Das Lachen war aus Vanessas Stimme verschwunden.
Ich nickte erneut, obwohl ich wusste, dass sie es nicht sehen konnte.
"Sei vorsichtig, bitte. Ich brauche dich doch." Sie klang mit einem mal fast ein wenig flehend.
"Dann bist du nicht mehr sauer?", fragte ich leise.
"Ich war nie sauer. Nur neidisch, ich dumme Kuh. Hör zu, wenn ihr Hilfe braucht…"
"Dann melde ich mich auf jeden Fall ", unterbrach ich sie.
"Ok."
"Ashley ist stark. Sehr stark."
"Ich werde gucken, ob ich etwas finden kann… was sie vielleicht aufhalten kann." Sie machte eine Pause, dann sagte sie: "Ich hab doch schließlich genug über den ganzen Kram gelesen."
"Ja, das wäre toll. Wenn du irgendeine Idee hast." Ich räusperte mich.
"Wir schaffen das, Lily."
"Ja."
"Und Philipp und Matt sind wirklich…?"
"Ja."
"Scheiße. Ok, ich melde mich, ja?"
"Danke, und pass bitte auf dich auf."
"Du auch. Es wird alles gut!"
"Das hat Sam auch gesagt." Ich lächelte unwillkürlich, dann legte ich auf.
"Wir sind bald raus aus der Stadt." Sam tätschelte unbeholfen mein Knie. "Allerdings muss ich vorher noch
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