Die Ruhe Des Staerkeren
entdeckt, dann habe ich Sie umgehend unterrichtet.« Er wußte, daß Pausin im Unrecht war, denn Rožman war zu einer Zeit auf Deans Anwesen eingetroffen, als sich sein Vorgesetzter noch auf dem Weg von Ljubljana nach Triest befand. »Aber ich habe soeben etwas anderes erhalten, das sofortiges Handeln verlangt.«
Er gab seinem Kollegen die Telefonnummer, die Živa Ravno ihm nach seinem Mittagessen mit Galvano mitgeteilt hatte. Pausins Laune hob sich schlagartig, als Laurenti in knappen Worten die Zusammenhänge schilderte. Es dauerte nicht lange, bis die Daten über den Inhaber des Anschlusses vor ihm lagen. Er gab die Anordnung, daß die Auswertung der Anrufe, die in Deans Mobiltelefon gespeichert waren, ab sofort die allerhöchste Priorität hatte. Dann versprach er, Laurenti umgehend zu verständigen, sobald etwas Neues vorlag.
Als der Commissario um 17 Uhr endlich wieder sein eigenes Büro betrat, bot sich ihm ein rührendes Bild. Marietta und die kleine Inspektorin, die sich sonst ein Scharmützel nach dem anderen lieferten, steckten die Köpfe zusammen und tuschelten. Mariettas Hand lag freundschaftlich auf Pinas Schulter, und Pinas Augen war unschwer anzusehen, daß sie geweint hatte.
»Wie war’s? Hast du Neuigkeiten?« fragte Marietta rasch, um ihn von der Kollegin abzulenken, die sich abwendete und ihre Tränen trocknete.
»Kommt rüber in mein Büro«, sagte Laurenti und tat, als habe er nichts bemerkt.
Er wartete zehn Minuten, dann stand Pina alleine und wie ein Häuflein Elend vor ihm. Verlegen versuchte sie zu lächeln, doch mehr als eine Grimasse wollte ihr nicht gelingen.
*
Der Maserati brachte Pina nach dem Mittagessen zurück nach Triest. Die Köchin hatte den Butt, den Sedem in Rijeka erstanden hatte, ganz traditionell mit Kartoffeln und Tomaten im Ofen zubereitet. Stumm servierte sie, und erst Großmutter Sonjamaria brach das Schweigen, als sie die treue Frau beschimpfte, ihr immer zuviel auf den Teller zu häufen, obwohl sie sich doch wirklich schon oft genug darüber beschwert habe.
»Wer hat denn alles angerufen?« fragte die alte Frau schließlich ihren Enkel. »Die Sonntagsausgaben der internationalen Presse verbreiten ausschließlich frei erfundenen Bockmist über Goran. Für die einen war er ein Held, für die anderen ein mieser Gangster! Mein Sohn!«
»Die ganze Welt war am Telefon. Aber ich habe nicht abgenommen. Weshalb sollte ich mit den Leuten reden? Nur um ihre Neugier zu stillen? Oder damit sie mit ihren verlogenen Beileidsbekundungen ihr Gewissen beruhigen können?«
»Meine Freundinnen haben von sich aus unseren traditionellen Sonntagsausflug abgesagt, dabei wäre ich wirklich gerne mit ihnen ausgegangen«, sagte die alte Dame. »Viel lieber, als hier zu Hause zu sitzen und darüber zu rätseln, wer meinen Sohn umgebracht hat.«
Als Pina eingetreten war, hatte die Alte durch sie hindurchgeschaut,als wäre sie aus Glas, und nicht einmal auf den Ausdruck ihres schmerzlichen Mitgefühls reagiert.
»Wie sieht es mit den Flugverbindungen aus?« fragte sie Sedem. »Fliegst du heute noch?«
Mehrfach hatte sie versucht, ihm die Information zu entlocken, die ihm sein Diener überbracht hatte, kurz bevor sie sich zu Tisch begaben. Doch Sedem hatte ihre Fragen schnöde übergangen, obgleich sie wirklich bereit war, ihn zu begleiten. Wohin auch immer er wollte und trotz ihres verletzten Fußes, wie sie mehrfach beteuerte.
»Wohin willst du denn, Sebastian?« entfuhr es der Großmutter. Sie war völlig überrascht.
»Ich bin sehr bald zurück.« Sedem errötete so sehr, als hätte er nicht im geringsten vorgehabt, ihr seine Abreise mitzuteilen.
»Ich habe dich nicht gefragt, wann du zurück bist, sondern wo du hinfliegen willst, Sebastian. Morgen ist Heiligabend. Willst du mich etwa alleine lassen?« fragte die Alte streng.
»In die USA. Zu meiner Mutter.«
»Ich höre wohl nicht recht! Damit tust auch du noch deinem Vater unrecht. So rücksichtslos und egoistisch, wie sie ihn einst verlassen hat und ihm dann auch noch deine Schwestern entzog. Du kannst dem Schicksal gar nicht genug danken, daß Goran dich mitgenommen hat.«
Ein heftiges Gewitter braute sich am Tisch zusammen. Pina staunte, wie laut die Greisin zetern konnte. Doch Sedem verzog keine Miene. In aller Seelenruhe aß er seinen Fisch bis zum letzten Bissen auf und dachte nicht im geringsten daran, ihr zu antworten. Je heftiger sie tobte, desto mehr verschanzte er sich hinter seiner Wortlosigkeit.
»Nein,
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