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Die Ruhe Des Staerkeren

Die Ruhe Des Staerkeren

Titel: Die Ruhe Des Staerkeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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mit Duke redete. Sie beobachtete mich und schwieg. Das war alles.«
    »Er wird dir fehlen«, sagte Pina.
    »Mir?« Sedem hob die Augenbrauen. »Kaum.«
    »Und mit wem wirst du in Zukunft über Musik reden?«
    »Das ist nicht wichtig. Ich kann sie hören.« Im gleichen Atemzug bediente er die Fernbedienung, »›Lucid Dreams‹ von Franz Ferdinand«, sagte er. »Ich werde das ganze Leben brauchen, um all die alten Platten aus Dukes Kollektion durchzuhören.« Er schwenkte die Hand in Richtung der Regalwand mit den wertvollen Scheiben, die schon sein Großvater zu sammeln begonnen hatte. »Und in einer der New Yorker Wohnungen lagern noch mehr, wie Duke erst kürzlich erzählt hat. Wenn ich keine anderen Pläne hätte, könnten wir bis ans Ende unserer Tage hier sitzen und hören. Eigentlich gar keine schlechte Idee.« Sedem schnitt eine Grimasse, die das Gegenteil ausdrückte.
    »Und die in New York hören wir dort«, sagte Pina.
    Sie drückte seine Hände. Endlich erwiderte Sedem ihre Berührung, doch wurden sie sogleich unterbrochen. Sein Fahrer führte die beiden Borstenköpfe herein, die Schulter an Schulter vor ihnen stehenblieben. Sie trugen teure dunkle Anzüge. Pina erkannte sofort, daß darunter Waffen im Holster steckten.
    »›Tomorrow Comes Today‹«, sagte Sedem und wartete die ersten Takte ab, dann hieß er die beiden Kleiderschränke Platz zu nehmen. Er stellte Pina mit keinem Wort vor. Vom nachfolgenden Dialog auf englisch verstand sie nur wenige Worte: »Boris Mervec, Austria, Wörthersee, Klagenfurt, Pörtschach, Today.« Er betätigte wieder die Fernbedienung und wechselte den Song.
    Die Anweisungen waren kurz, die beiden Gorillas verzogen sich beim Ausklang der letzten Takte der Musik. »›Dream A Little Dream Of Me‹«, seufzte Sedem. »Ella Fitzgerald und Satchmo haben sich mehr für die Menschenrechte eingesetzt, als man heute noch wissen will. Ein Thema, für das sich keinSchwein mehr interessiert. Mit Sedem Seven Continents werde ich es wieder aufgreifen, sobald ich Dukes Imperium aufgelöst habe und über ausreichend flüssige Mittel verfüge.«
    Pina kannte die Musik, ein Liebeslied. Völlig unpolitisch. Doch Sedem konnte es einfach nicht lassen, selbst in einem solchen Moment in seine ewigen Weltbetrachtungen zu verfallen.
    »Weißt du, woher Duke sein Faible für Musik hatte?« fragte er. »Sein Vater war ein kalter Krieger. Die Amerikaner benutzten den Jazz als Propagandainstrument. Sie hatten sogar eine eigene Radiostation, auf der rund um die Uhr Jazz zu hören war. Sie schickten Louis Armstrong in die Sowjetunion und nach Budapest, Ella nach Polen und nach Ostberlin, Duke nach Moskau und Sofia, Gillespie nach Rom.«
    »Wer waren diese beiden Männer?« unterbrach Pina seine Rede. Sie kannte Sedem inzwischen gut genug, um zu ahnen, daß er wieder sein ganzes Wissen auf den Tisch packen würde, wenn sie nicht Einhalt gebot. Egal, ob es sie interessierte oder nicht. Der Kerl verschanzte sich entweder hinter seinen Wortschwallen oder undurchdringbarem, finsterem Schweigen.
    »Zwei amerikanische Ermittler. Duke hat sie angefordert, bevor er ermordet wurde.«
    »Und was sollen sie tun? Sie haben in Europa keine Kompetenzen. Aber sie sind trotzdem bewaffnet.«
    »Sie werden ihre Sache schon machen. Sobald sie Resultate vorweisen können, werde ich sie dir mitteilen, dann kommt ihr zum Zug. Und du sammelst ein paar Punkte mehr auf deinem Personalkonto, wirst befördert und dann vielleicht endlich auch dahin versetzt, wo du hinwillst.«
    »Du vertraust wirklich niemand«, protestierte Pina. »Wir sind auch nicht von gestern. Und worüber in Kärnten habt ihr gesprochen? Was gibt es dort?«
    »Dort wohnt ein alter Freund von Duke, mehr nicht. Vielleichtweiß der etwas.« Wieder schaute Sedem auf das Display eines der Telefone, und tatsächlich nahm er diesmal den Anruf entgegen.
    Pina konnte dem Gespräch nicht folgen, sie verfluchte sich, daß sie kaum Fremdsprachen beherrschte. Nicht einmal englisch. Sobald die Sache ausgestanden war, würde sie einen Kurs belegen. Aus Sedems Reaktion glaubte sie zu verstehen, daß es seine Mutter war, die aus Seattle anrief. Seine Stimme war völlig verändert, voller Anteilnahme und freundlich. Er sprach sehr schnell, als zählte er Fakten auf, während sein Blick durch die Panoramaverglasung über die Hügel unterhalb von Jakovce schweifte. Seine Hand lag auf Pinas Arm, doch er schien es gar nicht zu bemerken. Als er auflegte, warf er einen Blick auf die

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