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Die Ruhe Des Staerkeren

Die Ruhe Des Staerkeren

Titel: Die Ruhe Des Staerkeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Sebastian, du wirst hierbleiben. Ich befehle es dir.«
    »Du kannst tun und lassen, was du willst«, antwortete Sedem so sanft er konnte und fuhr seinen Rollstuhl zurück.
    »Aber du mußt wenigstens zur Beerdigung hier sein«, bat sie.
    »Das dauert, bis sie das Gulasch sortiert haben und freigeben. Bis dahin bin ich längst wieder hier.«
    Sedem fuhr aus dem Salon hinaus, ohne Pina aufzufordern, ihn zu begleiten. Sie wartete schweigend, bis sich auch seine Großmutter erhob und, ohne ein Wort an den Gast zu richten, aus dem Raum trippelte. Pina setzte sich auf das Sofa, auf dem ihre Affäre mit dem Gelähmten begonnen hatte. Sie nahm die Fernbedienung der Hifi-Anlage, spielte die meisten Stücke aber nur an, bis sie sich endlich für eines entschied und die Lautstärke voll aufdrehte. Diesen Song kannte sie. Sie lehnte sich zurück und hörte, wie Ray Charles sein »Unchain my Heart« immer weiter vorantrieb. Wie in Trance schaute sie zu dem großen Fenster hinaus. Der Nordostwind jagte über die Hügellandschaft, die Wipfel der Bäume schienen mit ihm stürmen zu wollen. Die Bora hatte den Himmel saubergefegt, die grellgelbe Dezembersonne blendete ihre Augen. Sie hörte das Geräusch von Sedems Rollstuhl nicht und bemerkte ihn erst, als er ihr den Rauch seines Joints ins Gesicht blies. Hustend richtete Pina sich auf und lehnte entschieden ab, mit ihm die Tüte zu rauchen, die er ihr vor die Nase hielt. Als sich der Song seinem Ende näherte, drehte er die Lautstärke zurück und sang in vollen Tönen mit.
    »I’m under your spell like a man in a trance/whoa, you know darn well that I don’t stand a chance so/Unchain my heart let me go my way/Unchain my heart you worry me night and day/Why lead me through a life of misery/when you don’t care a bag of beans for me/So unchain my heart, please, please set me free.«
    »Also, sag endlich, nimmst du mich mit oder nicht?« fragte Pina während des Schlußrefrains. Sedem schien merkwürdig entspannt.
    »Löse die Kette um mein Herz, gib mich bitte, bitte frei.« Sedem sang weiter und übersetzte. Ihrem Blick wich er aus.
    »Du kannst es mir auch mit deinen eigenen Worten sagen!« Pina griff sein Kinn und zog seinen Kopf in ihre Richtung.
    »Was?« fragte Sedem trocken.
    »Es genügt ein Wort, und ich gehe.«
    »Das ist deine Angelegenheit. Von mir aus kannst du auch hierbleiben. Dann ist meine Großmutter wenigstens nicht alleine. Und ihr versteht euch ja blendend. Ich fliege übrigens in drei Stunden ab Triest.«
    »Und wann kommst du zurück?« Damit wußte sie endlich, daß er die Reise alleine antreten würde.
    »Nach Weihnachten. Jetzt hängen Dukes Geschäfte allein an mir. Die Börsen machen keine Ferien. Über das meiste bin ich sowieso im Bild. Ich habe ihn lange genug ausgeschnüffelt, ohne daß er es wußte.«
    »Das heißt, du willst jetzt in seine Fußstapfen treten? Und wo hast du all deinen Idealismus gelassen? Sedem Seven Continents! War das etwa alles nur dummes Gerede, mit dem du mich rumkriegen wolltest?«
    »Wenn du davon überzeugt bist, kann ich dir nicht helfen.« Sedem grinste verschlagen. »Aber keine Sorge, ich werde mir selbst unter solchen Umständen nicht untreu. Eigentlich hätte es gar nicht besser kommen können. Auch wenn ich es nicht so geplant hatte.«
    »Und was hattest du geplant? Was hast du mit dieser Sache zu tun? Es ist doch eindeutig, daß du viel mehr weißt, als du zugibst!«
    »Interessanter Gedanke«, sagte Sedem belustigt. »Was bringt dich denn darauf?«
    »Die beiden Männer mit dem gelben Porsche heute morgen. Du hast ihnen Anweisungen gegeben, die ich nicht verstanden habe. Mervec, Klagenfurt, Pörtschach, Wörthersee,Kärnten. Mir hast du erzählt, daß Duke sie herbestellt habe. Und du hättest sie wohl kaum weggeschickt, ohne Befehle zu erteilen. Du weißt ziemlich genau Bescheid. Startest du deinen eigenen Rachefeldzug, oder hast du die Sache selbst eingefädelt, in deinem hochmütigen, arroganten Idealismus?«
    »Jetzt hör mir einmal genau zu.« Sedem beugte sich zu ihr, ihre Köpfe waren nur noch eine Handbreit entfernt. Er hatte wieder die leeren graublauen Augen Dukes, ein Blick aus Wasser. »Meine Gewinne werden sich schlagartig multiplizieren. Das ist alles, was ich plane. Ich habe die ganze Nacht darüber gegrübelt, saß an Dukes Schreibtisch, blätterte in seinen Unterlagen, durchsuchte seine EDV und ging die Unternehmen durch. Eines nach dem anderen. Es ist so viel Geld, das er verwaltet, daß es einem

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