Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ruhe Des Staerkeren

Die Ruhe Des Staerkeren

Titel: Die Ruhe Des Staerkeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
Vom Netzwerk:
und ließ dieser schäbige Unrat etwa darauf schließen, unter welchen Umständen der Mann ums Leben gekommen war? Er schloß die Tür des Wohnwagens ab, legte den Schlüsselbund für die Kollegen hinter den platten Reifen und ging um das Gefährt herum. Leere und volle Gasflaschen standen neben der Deichsel, das Kabel des Fernsehgeräts lief über das Gelände weiter zu einem Strommasten, der ganz gewiß nicht legal angezapft war. Und wie Marietta vorausgesagt hatte, führte eine ausgetretene Spur zu einer stinkenden Grube, über die ein Holzgestell mit Donnerbalken genagelt war. Angewidert stapfte Laurenti zu Galvano zurück, der mit den Leuten vom Tierasyl redete, die den Schäferhund abholten.
     
    Vor der »Bar Vatta« in Opicina parkte der Kommissar wie immer im Halteverbot. Wenn sich die Gelegenheit ergab, kehrte er gerne hier ein, denn es war eines der wenigen Lokale, das, wie die »Gran Malabar« in der Stadt, die Flaschen der besseren Karstwinzer vorrätig hielt, von diesseits und jenseits der Grenze. Wer diesen naturbelassenen mineraligen Weinen mit ihrem ausgeprägten Charakter einmal verfallen war, den konnte man nur noch schwer für andere begeistern. Laurenti mußte dringend diesen Geruch aus dem Wohnwagen loswerden und eilte zur Toilette, um sich ausgiebig die Hände zu waschen. Als er zurückkam, saß Galvano bereits vor zwei Gläsern Vitovska der Gebrüder Vodopivec, die ihren Wein in georgischen Amphoren zu einem wahren Zaubertrank ausbauten.
    »Zurückhaltung ist eine Tugend«, murrte Laurenti, als sie anstießen. »Aber für dich ein Fremdwort.«
    »Erstens bezahlst du, und zweitens ist etwas Besseres kaum zu finden«, feixte Galvano. »Los, hol endlich die Papiere aus dem Beutel. Tu nicht so, als interessierte es dich nicht. Weshalb sind wir sonst hierhergefahren?«
    Laurenti zog ein neues Paar Latexhandschuhe aus der Manteltasche und stülpte sie über. Zwei Gäste, die am Tresen standen und bereits die zweite Flasche Billecart-Salmon Réserve tranken, schauten belustigt zu und feixten. Laurenti kannte sie gut. Der eine, ein übergewichtiger Mann von etwa vierzig Jahren, betrieb einen lukrativen Handel mit Kachelöfen. Sein Geschäft brummte, wie man am Leibesumfang unschwer erkennen konnte. Der andere, auffällig gut gelaunt, machte sein Glück mit Sockenstrickmaschinen, die er auf den Ostmärkten absetzte. Und den Flaschen nach, die sie bestellten, verdienten sie beide Geld wie Heu. Außerdem standen die beiden Brüder aus dem Val Rosandra an der Theke, deren feines Olivenöl von der Jury der International Olive Oil Academy soeben zum besten der ganzen Welt gewählt worden war. Wenn das kein Grund zum Feiern war! Auch einen Schriftsteller hatten sie in ihre Mitte genommen, der nicht weniger trinkfest war und über dessen Bücher Laurenti sich regelmäßig ärgerte. Immer wieder schenkte ihm jemand einen soeben neuerschienenen Kriminalroman, dem er dann entnehmen mußte, was er wirklich zu tun hatte.
    »Der Commissario ist ein Feinschmecker«, rief der Kachelofenhändler, »er zieht Latexhandschuhe zur Verkostung an, damit er nur den Wein riecht.«
    »Wenn man sieht, was die Kerle in sich hineinschütten, gibt es doch noch Hoffnung in die Wirtschaftslage«, brummte Galvano. »Nur die Renten steigen nicht mehr.«
    Ein dicker Briefumschlag rutschte zwischen den Unterlagen heraus, die Laurenti auf dem Tisch ausbreitete. Er beugte sich soweit zu Galvano hinüber, daß die Zecher an der Theke den Inhalt, den er schon beim Abtasten erkannt hatte,nicht sehen konnten. Rasch zählte er durch und stieß einen leisen Pfiff aus.
    »Zwanzig Fünfhunderterscheine. Zehntausend Euro«, flüsterte Laurenti. »Und Fotos.« Er hielt eines nach dem anderen Galvano vor die Nase. Ein hochgewachsener Mann mit grauem Haar, wenig älter als Laurenti – aber ein »Herr« –, von gepflegtem, athletischem Auftreten, der in ganz unterschiedlichen Situation aufgenommen worden war. Zwei Bilder waren offensichtlich aus Zeitungen abfotografiert, drei Aufnahmen zeigten den Mann vor dem Check-in-Schalter eines Flughafens, ein anderes, wie er vor einem modernen Bürohaus dem Fond einer dunkelblauen Limousine entstieg, und zwei, die offensichtlich durch ein Fenster geschossen wurden. Wenn er richtig sah, trug der Mann auf allen Fotos Handschuhe. Galvano schüttelte den Kopf, als Laurenti fragte, ob er ihm bekannt vorkam. Dann zog er einen Zettel aus dem Stapel, auf dem nur eine Zeile in Druckbuchstaben zu lesen war: »22.

Weitere Kostenlose Bücher