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Die Ruhe Des Staerkeren

Die Ruhe Des Staerkeren

Titel: Die Ruhe Des Staerkeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Gehaltsabrechnungen, die wirklich keine besonders beeindruckenden Beträge aufwiesen, mit einer simplen Handschrift vollgeschmierte Notizzettel, meistens Listen von Dingen, die zu besorgen waren, einpaar alte Lirescheine, Strafzettel wegen Falschparkens, von denen sie das Kennzeichen an Marietta mit der Bitte zur Überprüfung durchgab. Sie saß ohnehin schon über den Telefonnummern, die auf Manfredis Mobiltelefon gespeichert waren. Und schließlich fand Pina ein kleines Notizbuch mit Zahlen und voller Abkürzungen, eigenartige Namenskombinationen, die alle mit einem Bindestrich getrennt waren und von denen stets ein Name durchgestrichen war, dahinter eine meist vierstellige Zahl. Pina steckte die Zettel und das Notizbuch in eine Plastikhülle, das war wirklich Arbeit fürs Büro. An die Befragung von Manfredis Kollegen würde sie sich machen, sobald sie von der Direktion der städtischen Museen eine vollständige Personalliste in Händen hielte, die sie gleich morgen früh anfordern wollte. Ein Blick auf ihre Uhr hatte gereicht, um zu wissen, daß sie heute nachmittag in den städtischen Ämtern niemand mehr auftreiben könnte. Im Hinausgehen klopfte sie dem ausgestopften Bären auf den Rücken und setzte eine Staubwolke frei, die sie zum Husten brachte. Als sie die Tür zum Flur öffnete, hielt sie inne und schaute über die Schulter. Irgend etwas stimmte nicht mit Meister Petz. Sie humpelte zurück und fand ihre vorige Position ohne Mühe wieder. Ihre Hand hatte einen deutlichen Abdruck auf dem staubigen Fell hinterlassen. Noch einmal schlug sie dem ausgebleichten Balou auf den Rücken, und wieder erhob sich eine gewaltige Staubwolke. Pina tastete die Stelle ab. Es war nicht mehr als ein Reflex. Sie vermutete, daß ein morsches Holzgestell das Kuscheltier aufrecht hielt, doch der harte Gegenstand, den sie in der Handfläche spürte, war etwas anderes. Er verschob sich unter dem Druck ihrer Hand. Sie lehnte den Stock an das Tier und versuchte es mit beiden Händen. Manfredi mußte also mit seiner Arbeit längst begonnen haben. Dort, wo der Nacken des Bären aufgeworfen war, befand sich ein Eingriff in sein Fell. Pina mußte auf einen Stuhl steigen, damit sie die hölzernen Eingeweidedes Tiers abtasten konnte; erst als sie den Arm bis über den Bizeps in ihm versenkt hatte, bekam sie den Gegenstand zu fassen. Kalter Stahl! Noch auf dem Stuhl stehend, wählte sie die Nummer Laurentis. Es klingelte lange, sie versuchte es noch einmal, es kam aber immer nur die Ansage der Telefongesellschaft, daß der Teilnehmer nicht erreichbar sei. Er würde Augen machen.
     
    *
     
    »Stehst du wieder einmal vor einem Rätsel, Laurenti, oder weshalb störst du mich?« Galvanos Herzlichkeit war wie üblich kaum zu übertreffen. Seit Jahren faselte er davon, daß er eilig die Arbeit an seinen Memoiren abschließen müßte, doch bis jetzt hatte noch niemand auch nur eine Zeile dieses Jahrhundertwerks zu sehen bekommen. Der ehemalige Gerichtsmediziner saß im Auto neben Laurenti, der ihn und den schwarzen Hund vor dem Haus in der Via Diaz abgeholt hatte.
    »Ich dachte, ein bißchen frische Luft tut euch beiden alten Knackern gut. Sonst sitzt ihr sowieso nur zu Hause hinter dem Ofen.«
    Ein kleiner Streifen grellgelber Sonne wurde über dem Meer sichtbar, als sie die steil ansteigende Via Commerciale hinauffuhren. Den ganzen Tag lang hatte ein diffuses, fast schwefeliges Licht den Himmel über der Stadt am Golf bestimmt, die graue monotone Wolkendecke ließ die Wintersonne nur als Ahnung durchschimmern.
    »Wenn du wüßtest!« protestierte Galvano. »Clouseau scheucht mich schon in der Frühe auf, und zum Essen gehen wir auch zweimal täglich aus. Aus dem Alter bin ich raus, daß ich mir noch selbst etwas zubereiten müßte.«
    »Ist auch gesünder, wenn du nicht selber kochst.«
    »Wo fahren wir überhaupt hin?«
    »In die Nähe des Grenzübergangs Fernetti. Kundenbesuch.«
    »Was für ein Kunde? Wurdest du denn nicht für die offizielle Zeremonie freigestellt?«
    »Ein Kollege von dir. Tierpräparator«, grinste Laurenti, »nekrophil wie du.«
    »Du solltest dich mal reden hören, Laurenti. Weißt du, was für ein Händchen man braucht, um eine Leiche nach der Autopsie wieder so zusammenzuflicken, daß die Angehörigen bei der Beerdigung nicht in Ohnmacht fallen, sondern das Opfer, das sie gemeinschaftlich ins Unglück getrieben haben, in liebender Erinnerung behalten können?« protestierte Galvano und wollte bereits wieder zu einem

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