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Die Ruhe Des Staerkeren

Die Ruhe Des Staerkeren

Titel: Die Ruhe Des Staerkeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Dezember.« Darunter prangten ein runder Stempel mit der Aufschrift »Istria libera, Dalmazia nostra – Istra nezauzet, Dalmacija je naša« und eine gereckte Faust.
    »22. Dezember, 15'30 Uhr! Weißt du, was das bedeutet?« fragte Laurenti aufgeregt und hielt ihm den Zettel unter die Nase.
    Der Alte antwortete nicht einmal.
    »Das ist übermorgen. Mensch, Galvano: Übermorgen! Genau zu dieser Uhrzeit beginnt die offizielle Zeremonie am Übergang Rabuiese, wegen der ich in den letzten Wochen wie ein Derwisch herumgerast bin. Und dieser Penner aus dem Wohnwagen gehört ganz sicher nicht zu den geladenen Gästen.«
    »Ja, und? Denkst du an ein Attentat? Was ist das eigentlich für ein idiotischer Stempel?«
    »Sieht aus wie das Logo einer neuen Bewegung ehemaligerFlüchtlinge aus Jugoslawien, die immer noch auf Landrückgabe hoffen.«
    »Dann wäre das keine Faust, sondern eine flach hochgereckte Hand, und der Spruch nicht auf kroatisch. Sie lehnen bei jedem zweiten Atemzug die Zweisprachigkeit ab.«
    »Was ist, wenn der Mann mit den grauen Handschuhen zum Staatsakt eingeladen ist?«
    »Geh einfach die Listen der Zusagen durch.«
    »Die legen doch keine Fotos bei! Also müßten wir fast achthundert Personendateien einzeln prüfen. Ich kann nur hoffen, daß er schmutzige Hände hat und in unserer Kundendatei steht.« Laurenti winkte dem Kellner und bestellte noch zwei Gläser Wein. Mit gefurchter Stirn starrte er auf den dicken Briefumschlag. Das war ein Fund, mit dem er nicht gerechnet hatte. Auf Marietta würde eine Menge Arbeit zukommen, die Weihnachtseinkäufe konnte sie vergessen. Er steckte den Umschlag in den Plastikbeutel zurück und griff zu seinem Mobiltelefon, um den Chef der Kriminaltechniker anzurufen, die den Wohnwagen zerlegten. »Alfieri«, sagte Laurenti, »es kann sein, daß ihr auf Waffen stoßt. Sag mir umgehend Bescheid, falls das zutrifft.«
    Dann ging er die anderen Blätter durch. Marzio Manfredi hatte eine unverstellte Kinderschrift, die zu entziffern leichtfiel. Es waren vorwiegend Stichwörter, halbvollendete Sätze, Namen sowie Orte mit unvollständigem Datum, oft nur die Tage und Uhrzeiten. Und ein paar Telefonnummern. Auch das würde einiges an Entschlüsselungsaufwand erfordern, sofern es überhaupt gelang, einen Sinn dahinter zu finden. Das Leben anderer Menschen wird erst dann transparent, wenn man ihre Beweggründe kennt. Von diesem Mann wußte er außer den üblichen Personalien nur, daß er gerne mit einem Koffer voller Kaviar reiste und mindestens einen rabiaten Feind hatte, der ihn mit einer Drahtschlinge aus dem Weg räumte.
    »Bist du noch da, Laurenti?« fragte Galvano viel zu laut, um den Commissario aus seinen Gedanken zu holen. »Was geht in deinem Kopf vor?«
    »Entschuldige bitte«, sagte Laurenti abwesend, »aber ausgerechnet ein paar Tage vor Weihnachten stoße ich auf solch einen Mist.«
    »Dieser Stempel ist merkwürdig, Laurenti. ›Freies Istrien, Dalmatien ist unser‹ – das hört sich zwar nach den üblichen Rechtsextremisten an, aber ich habe nie etwas von dieser Bewegung gehört. Das wäre sofort durch die Presse gegangen. Und außerdem ließen die sich wohl kaum davon abbringen, die Hauswände mit ihren Slogans vollzuschmieren. Wenn es aber tatsächlich eine neue Verschwörung ist, dann müßten unsere kroatischen Kollegen Auskunft geben können. Ruf mal an, Laurenti. Du hast doch exzellente Kontakte. Die hübsche Staatsanwältin aus Pula! Ist wohl nicht mehr die große Liebe, wie es scheint, oder irre ich mich?« Galvano verbarg seine Schadenfreude nicht.
    »Živa Ravno?« sagte Laurenti versonnen. Vier Jahre lang hatte er mit der fünfzehn Jahre jüngeren Frau aus der hundert Kilometer entfernten Stadt ein Verhältnis gehabt. Bis sie eines Tages aus heiterem Himmel mit ihm Schluß machte. Das war achtzehn Monate her, noch immer fuhr ihm ein Stich in die Seele, wenn er an sie dachte. »Du hast recht, sie müßte es wissen.«
    »Na also! Endlich hast du wieder einen Grund, sie anzurufen«, feixte Galvano.
    Laurenti reagierte nicht einmal mit einem Wimpernzucken auf die Anspielung. Nie hatte er irgend jemand etwas von seiner Affäre erzählt, und doch wollten sich alle um ihn herum darüber das Maul zerreißen. Nur Laura hatte ihn nie darauf angesprochen. Entweder waren diese Gerüchte tatsächlich nie zu ihr durchgedrungen, was kaum denkbar war bei so vielen guten Freundinnen, die sich um seine Frauscharten. Oder sie war sich Laurentis so sicher, daß sie es

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