Die Ruhe Des Staerkeren
nicht für nötig hielt, Krach zu machen.
»Was hast du eigentlich für die Feiertage vor?« fragte er schließlich, um Galvano von diesem heiklen Thema abzulenken.
»Ich muß mit meinen Lebenserinnerungen vorankommen. Pausen schaden der Konzentration. Schon daß ich dir den Gefallen getan habe, dich hierher zu begleiten, war ein großes Opfer – auch wenn es nicht so aufgenommen wird.«
»Wie wärs, wenn du zu uns kommst? Heiligabend vielleicht. Oder am Weihnachtstag zum Mittagessen? Überlegs dir.« Laurenti verlangte die Rechnung und bezahlte. »Die Kinder sind auch da, die würden sich riesig freuen.«
»Nun noch mal ganz langsam«, sagte Galvano mit einem Tonfall, den Laurenti gut genug kannte. Wenn der Alte mißtrauisch war und zu einem seiner Rundumschläge ausholte, war der Diskant spitz und die Stimme ganz klar. »Entweder brauchst du Beistand, weil du nicht drei Tage mit dem ganzen Clan alleine sein willst. Kommt nicht auch noch deine Schwiegermutter aus San Daniele und eine von Lauras Schwestern? Du und Marco seid dann die einzigen Männer gegen sechs Frauen.«
»Oder?« fragte Laurenti amüsiert. Er freute sich bereits seit Wochen darauf, daß endlich einmal wieder die ganze Familie zusammen war. Ohne Termindruck, ohne große Verpflichtungen. Und er kannte Galvano. Der Alte brachte es einfach nicht fertig, seine Dankbarkeit über die Einladung zu zeigen.
»Was, oder?«
»Du hast ›entweder‹ gesagt.«
»Oder«, Galvano sprach noch schärfer, »du brauchst meine Hilfe in diesem Fall und versuchst, mich mit dieser scheinheiligen Einladung lediglich zu korrumpieren.«
*
Es war bereits dunkel, als Dean von seinem Besuch bei Boris Mervec zurückkam, der in Pörtschach am Wörthersee ein Appartement in der Villa eines russischen Geschäftsfreundes bewohnte. Solange er gegen das Auslieferungsersuchen der Kroaten gerichtlich vorgehen konnte, mußte er in Österreich bleiben. Dean war extrem schlechtgelaunt. Seine bisher gute Beziehung zu Mervec hatte zu seinem Kummer dank einer bitteren Auseinandersetzung ihren Tiefststand erreicht. Kaum war er bei Mervec eingetroffen, hagelten die Anschuldigungen wie eine Geröllawine auf ihn herab, dabei war es nicht im geringsten seine Schuld, daß Manfredi nicht mehr zur Verfügung stand. Er hatte ihn schließlich nicht umgebracht. Der Tierpräparator erledigte zwar gelegentlich ein paar dreckige Jobs für ihn, damit er seine Spielschulden abstottern konnte, die ihm bis über die Ohren standen. Doch wer konnte sagen, ob er nicht noch für andere tätig gewesen war. Mervec aber war von seiner Ansicht selbst mit den triftigsten Argumenten nicht abzubringen gewesen und hatte damit gedroht, ihn wegen seiner Geschäfte hochgehen zu lassen. Und genau diese machten Dean noch mehr Sorgen.
Vor seiner Haustür fand er eines der Pakete, die dort seit Anfang des Sommers regelmäßig abgelegt wurden. Einhundert DINA3-große Flugblätter der Bewegung »Istria libera, Dalmazia nostra«. Wie üblich aufgemacht wie ein Fahndungsplakat aus Wildwest-Filmen, mit dem Slogan »Besser tot als lebendig« unter einem Foto und mit einem zehnzeiligen Text darunter, der großspurig behauptete, daß demnächst die Welt unterginge:
»Die Grenzen zwischen Politik, Wirtschaft und Organisierter Kriminalität sind aufgelöst. Mit miesen Machenschaften haben sich Dunkelmänner aus der europäischen Hochfinanz zusammen mit ehemaligen Geheimdienstlern des ehemaligen Jugoslawiens und der Tourismusindustrie der Küstenstriche Istriens und Dalmatiens bemächtigt. Die Bevölkerungwird, wie einst die Uskoken, ins Binnenland getrieben, gekaufte Politiker erteilen die Baugenehmigungen. Frühere Waffenschmuggler, die das UN-Embargo unter den Augen westlicher Geheimdienste umgingen, sind heute Mitglieder einer ehrenwerten Gesellschaft, die das Land unter sich aufteilt. Das Zusammenwirken krimineller Elemente aus Kroatien, Italien, Österreich und Deutschland setzt die Demokratie in ganz Europa aufs Spiel. Die Medien schweigen, die Kontrollorgane haben versagt. Erst wenn der Ausverkauf beendet ist, wird Kroatien Mitglied der Europäischen Union. Bürger, brecht endlich das Schweigen.«
Dean schenkte dem Stapel nur einen flüchtigen Blick, für ihn war das nichts anderes als Schwachsinn. Zwar ahnte er wegen seiner eigenen beruflichen Vergangenheit bei den Schlapphüten, von wem die Rede war, doch fand er nichts Anstößiges an deren jetzigem Handeln. Die reizvolle Küstenlandschaft Kroatiens nicht
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