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Die Ruhe Des Staerkeren

Die Ruhe Des Staerkeren

Titel: Die Ruhe Des Staerkeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Idylle einen Schäferhund, der an einem Seil lief, das als Dreieck zwischen der Behelfsunterkunft und zwei Bäumen gespannt war. Er schlug an, als sie aus dem Wagen stiegen. Das Tier war unruhig, lief von einer Ecke zur anderen. Mit in den Nacken geworfenem Kopf heulte es mehr, als es bellte. Der Hund war alt, sein Fell glanzlos, und er hinkte.
    »Der hat einen Hüftschaden«, sagte Galvano sofort undleinte seinen schwarzen Köter an, der von der Rückbank herabgesprungen war. »Und er ist vereinsamt. Das sieht man gleich. Hier war schon länger niemand mehr.«
    »Sein Herrchen ist vergangene Nacht umgebracht worden. Wie lange kann man einen Hund alleine lassen, ohne daß er verrückt spielt?«
    »Ach, umgebracht? Deswegen brauchst du mich also. Also, dieses Tier ist deutlich länger alleine als einen Tag. Wenn du Clouseau hältst, erledige ich das«, sagte Galvano und drückte ihm die Leine in die Hand. Aus der Manteltasche zog er zwei Hundekekse, die er offensichtlich immer einstecken hatte, und ging, mit seiner tiefen Stimme immerfort redend, auf den Schäferhund zu. Das Tier schaute mißtrauisch zu Galvano auf. Als er sich bis auf drei Meter genähert hatte, ging der Alte in die Hocke und warf dem Köter einen Keks zu, den der ohne langes Schnuppern mit zwei krachenden Bissen zerkaute.
    »Du hast also Hunger«, sagte Galvano und streckte ihm den anderen Keks hin. Ununterbrochen redete er auf den Hund ein, dann schritt er, ohne ihn anzusehen, an ihm vorbei, löste die Laufleine von der Aufhängung, ging ganz ruhig zu einem weiter entfernt stehenden Baum, wo er sie befestigte und enger zog, bis das Tier schließlich neben ihm stand und sich streicheln ließ.
    »Ruf das Hundeheim an«, sagte er. »Der ist harmlos, das ist kein Wachhund. Sie sollen ihn abholen, er braucht Pflege.«
    Sein Mobiltelefon hatte erst wieder Empfang, als er zurück zum oberen Rand der Doline gegangen war. In dieser auf dem Karst typischen Geländeabsenkung war man zwar windgeschützt, doch die Funkwellen reichten nicht hinunter. Die Tierschützer, denen er den Weg beschrieb, wollten gleich losfahren. Dann ging er wieder in das Funkloch hinab, in dem Galvano mit dem Schäferhund inzwischen Freundschaft geschlossen hatte. »Ich könnte ihn auch zu mir nehmen«, sagte der pensionierte Gerichtsmediziner, »aber ich fürchte, mein schwarzer Freund wäre eifersüchtig.«
     
    Laurenti streifte ein paar Latexhandschuhe über und schaute sich angeekelt im Wohnwagen um, den er mit dem Schlüsselbund aus der Manteltasche des Toten geöffnet hatte. Wie konnte man in einem solchen Saustall leben? Ein verdreckter Schlafsack auf einer durchgelegenen Matratze, am Fenster eine mottenzerfressene Fahne der rechtsradikalen Forza Nuova. Auch in Triest gab es ein paar kahlköpfige Idioten, die mit Hilfe dieser Gruppierung Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollten. In einer Ecke stand ein Fernsehgerät, von dem ein Kabel nach draußen lief, und auf einem verbeulten Gaskocher ein Topf mit Essensresten, die bereits Schimmel ansetzten. Es roch moddrig in dem Unterschlupf. Von der Luftfeuchtigkeit gewellte Hundefotos klebten an den Wänden, Tiere mit kupierten Ohren, Narben an Hals und Kopf. Merkwürdig, diese Liebe zu häßlichen Viechern, dachte Laurenti, überall laufen diese verstümmelten Kreaturen herum. Ein solcher Köter mußte Pina die Zähne in die Ferse getrieben haben. Rechtsextremistische Gesinnung, aggressive Kampfhunde, Dreck – eine üble Mischung. Laurenti wunderte sich nicht, daß in diesem vergammelten Kabinett ein Pamphlet mit dem Titel »Istria libera, Dalmazia nostra« hing. Auf dem Eßtisch stand noch ein Teller mit Nudelresten vor einer Mussolinibüste, von der der Lack absplitterte. Die Gabel lag auf einer Klarsichthülle mit Dokumenten. Vier volle Zweiliterflaschen Wein ohne Etiketten standen daneben. Laurenti steckte die Papiere in eine Plastiktüte, hier würde er die Unterlagen gewiß nicht studieren. Bloß schnell raus aus diesem Loch. Die Kollegen von der Kriminaltechnik sollten übernehmen. Sie waren daran gewohnt, in Blut und Exkrementen zu wühlen. Seltsame Vögel, die sich einen solchen Beruf aussuchten. Aber bei Galvano lag die Sache auch nicht viel anders.
    In den Taschen der wenigen Kleidungsstücke im Schrank fand Laurenti lediglich einen Fünfeuroschein. Eigenartig, daß ein Angestellter eines städtischen Museums und Kaviarschmuggler so gar keinen Hang verspürte, sich wohnlich einzurichten. Was war das für ein Charakter –

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