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Die Ruhe Des Staerkeren

Die Ruhe Des Staerkeren

Titel: Die Ruhe Des Staerkeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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alleine lassen«, protestierte Laurentis Mutter. »Ich weiß genau, was esbedeutet, verwitwet zu sein. Und außerdem kosten die Weihnachtsbäume in diesem Jahr vierzig Prozent mehr als vor zwei Jahren. Wegen der Chinesen und der Araber.«
    »Was hat das denn mit Galvano zu tun?« fragte Proteo und staunte über die Logik seiner Mutter. Zumal sie schon seit acht Jahren keinen Baum mehr aufgestellt hatten, sondern ein paar Lichterketten über die alte Akazie vor dem Haus gehängt, die sie meist erst kurz vor Ostern wieder abnahmen, als sie wieder austrieb.
    »Wenn die Bäume so teuer sind, dann lohnt es sich, wenn eine weitere Person darunter sitzt. Früher wäre dies eine Selbstverständlichkeit gewesen, da hätte man gar nicht erst darüber diskutiert. Früher hielt man zusammen. Wenn’s nach mir ginge, dann käme der Herr Doktor auf jeden Fall zu uns, Proteo. Das ist doch völlig klar.«
    »Vielleicht bringt Omi ihn ja zum Tanzen«, sagte Marco und schnitt plötzlich eine häßliche Grimasse. »Polka oder langsamer Walzer, was magst du lieber?« Einerseits fiel es ihm schwer, nicht lauthals loszulachen, andererseits hatte Patrizia ihm bei den Worten von Großmutter Immacolata unter dem Tisch einen schmerzhaften Tritt gegen das Schienbein verpaßt.
    »Ich versteh wirklich nicht, was ihr gegen Galvano habt!« Laurenti schaute herausfordernd in die Runde. »Immerhin leben wir in diesem Haus, weil er es gegen unsere Wohnung in der Stadt getauscht hat. Natürlich ist er ein egozentrischer alter Knacker, aber er ist ein Freund. Und damit basta.«
    »Ich finde auch, daß er zu uns kommen sollte«, sagte Laura, »dann ist euer Vater nicht der einzige, der immer die gleichen Geschichten erzählt.«
    »Hör mal«, versuchte Laurenti einzuwenden, doch er wurde sogleich von seiner Mutter unterbrochen.
    »Wenn ihr wollt, dann koche ich salernitanisch«, sagte sie strahlend.
    Alle schauten sie neugierig an. Mozzarella in carrozza oder auf neapolitanische Art mit Zitronensaft und Olivenöl, eine Parmigiana von Auberginen, Sartù di riso, der bunte Reisauflauf, Artischocken aus Paestum, Pepata von Miesmuscheln, Spaghetti alla puttanesca oder eine dicke Pasta Fagioli mit Lorbeer, Pfeffer, Peperoncino und als Nachtisch eine Pastiera mit Orangenblüten – allen lief das Wasser im Mund zusammen.
    »Ich helfe dir«, rief Marco, der sogleich hoffte, von seiner Großmutter ein altes Rezept zu erfahren, mit dem er sich dann im Restaurant vor den Kollegen aufspielen konnte. Er stand im letzten Lehrjahr und machte bald die Prüfung. »Was schlägst du vor? Etwas ganz Typisches!«
    Die alte Frau dachte einen Moment nach. »Wenn ich mich nicht täusche, dann ist es ein Lieblingsgericht eures Vaters: Milz, gefüllt mit Petersilie, frischer Minze und Peperoncino, geschmort in Olivenöl und Essig.«
    Proteo biß sich auf die Zunge, um nicht lautstark zu widersprechen. Dieses Gericht hatte er wirklich nie gemocht, und schon in seiner Kindheit hatte er heftigst protestiert, wenn es auf den Tisch kam. Wie kam seine Mutter nur auf die Idee, daß sie ihm damit einen Gefallen täte?
    »Ihr eßt ja sowieso genug Fisch. Warum nicht mal was anderes? Frattaglie di Bue zum Beispiel, geschmorte Innereien vom Ochsen – Leber, Lunge, Herz. Köstlich. Es war das Lieblingsessen meines Bruders. Nächstes Jahr sind es fünfundsechzig Jahre, daß die Stadt befreit wurde und ausgerechnet er unter dem Bombardement der Alliierten den Tod fand. ›Operation Avalanche‹ war der Deckname der Landung. Sie dauerte von Juni bis September. Und Gigi war gerade mal fünfzehn Jahre alt, vier Jahre jünger als ich. Das Nesthäkchen, wir große Schwestern haben ihn unglaublich verwöhnt. So wie deine dich, Marco.«
    »Ich und verwöhnt«, protestierte Marco und rümpfte dieNase. »Wenn du wüßtest, was es bedeutet, sich gegen große Schwestern behaupten zu müssen. Papà und ich sind ja die Minderheit in diesem Haus. Aber seit Patrizia und Livia weggezogen sind, kann man wenigstens wieder freier atmen.«
    Seine Schwester warf ihm ihre Serviette an den Kopf und klopfte auf den Tisch. »Ruhe! Abgesehen davon, daß ich an Weihnachten Innereien – auch wenn Oma sie zubereitet – noch weniger mag als sonst, habe ich nun etwas wirklich Wichtiges mitzuteilen. Alle reden immer nur vom Krieg, aber ich spreche von einem neuen Leben«, sagte sie pathetisch.
    Stille machte sich breit, Bestecke fielen hörbar auf die Teller.
    »Was?« fragte Laurenti ungläubig, dem ein Bissen Zuppa

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