Die Ruhe Des Staerkeren
so blieb es dann und wurde 1975 endlich auch von beiden Ländernratifiziert. Schauen Sie, mein Freund Marino zum Beispiel, der frühere Bürgermeister von Duino-Aurisina, wurde an zwei verschiedenen Orten geboren, wenn man seinen Dokumenten glaubt. Das muß ihm erst einmal jemand nachmachen. Tatsächlich kam er 1950 in seinem Elternhaus zur Welt, im istrischen Dorf Caldania bei Buie, das zum Verwaltungsbezirk Pirano gehörte. Es war Teil der Zone B. In seinem Führerschein, den er 1968 in Triest gemacht hat, steht als Geburtsort Pirano, Slowenien. In seinem Personalausweis aber steht Buie, Kroatien, weil sich inzwischen die Grenzen verschoben hatten. Es sind nicht nur die alten Leute, die all das durchmachten.«
»Na, Gott sei Dank hat das jetzt ein Ende«, sagte Pina und schnitt unter den ungläubigen Blicken der beiden Männer einen weiteren Bissen von ihrem Fleisch ab. Unglaublich, was sie verspeisen konnte.
»Aber es war ein langer Weg«, sagte Laurenti. »Leider gibt die EU einiges zu denken. Die Leute in Brüssel reden wie die Besoffenen vom Erhalt der Vielfalt, dabei ist es am Ende eben doch eine reine Wirtschaftsunion, in der die Lobbyisten die Gesetze schreiben. Alles wird normiert, vom Traktorsitz über Steckrüben bis zu den Präservativen. Als Slowenien am 1. Mai 2004 beitrat, fielen die Handelsschranken, der Warenverkehr war frei, dann kam auch das Militärbündnis und anschließend der Euro. Die Menschen aber sind der letzte Teil der EU-Erweiterung.« Laurentis Mobiltelefon klingelte.
Das Gespräch war kurz. Er hob die Augenbrauen, bedankte sich und legte auf. »Das war die Oberstaatsanwältin in Pula«, sagte er. »In Istrien sind wieder Plakate dieser ›Istria libera‹-Gruppe aufgetaucht.«
»Gute Verbindungen«, sagte Rožman anerkennend.
»Und raten Sie, wer auf dem Foto ist.«
Rožman und Pina schauten ihn neugierig an.
»Duke. Und darunter steht: Besser tot als lebendig.«
Dann wählte er eine neue Nummer.
»Und, haben Sie Ihr Gespenst endlich?« fragte Biason, der bereits nach dem zweiten Klingeln am Apparat war.
Laurenti berichtete dem Mann im Innenministerium in klaren Worten von dem Fund.
»Ich werde wieder Ljubljana verständigen«, sagte Biason. »Aber nach wie vor glauben weder die noch ich, daß es Grund zur Sorge gibt. Dennoch werden wir die Sicherheitskontrollen beim Einlaß verschärfen. Bei dem Mann handelt es sich in der Tat um eine ziemlich wichtige Persönlichkeit. Ich habe inzwischen Auskünfte bei den amerikanischen Kollegen eingeholt. Ihr Goran Newman«, er meinte Duke, »ist Mitglied des IAB im CFR der USA und …«
»Bitte was?« unterbrach ihn Laurenti.
»Ein Think-Tank …«
»Was?«
»Also der Mann hat Einfluß. Sein Vater war ein hohes Tier im amerikanischen Außenministerium. Seit 1995 hat dieses einen sogenannten Rat für auswärtige Beziehungen, das Council for Foreign Relations, CFR, dessen Vizedirektor er über viele Jahre war. Da sitzen Politiker, Wissenschaftler, Journalisten und vor allem sehr viele Wirtschaftsvertreter drin …«
»… die der Regierung vermutlich raten, in welches Land einmarschiert werden soll, um die Wirtschaftslage zu verbessern«, fiel ihm Laurenti ins Wort.
»Mehr oder weniger ist das so«, Biason sprach mit ruhiger Stimme weiter. »Es geht um die Gestaltung der Außenbeziehungen. Und dieses CFR hat wiederum einen internationalen Beraterstab namens IAB, International Advisory Board. Goran Newman ist vermutlich dank dem Einfluß seines Vaters, der damals noch lebte, aufgenommen worden. Das IAB mit Sitz in New York umfaßt dreiunddreißig Mitglieder aus fast ebenso vielen Ländern. Und das sind beinahe ausschließlichWirtschaftsvertreter. Ihre Aufgabe ist es, eine möglichst präzise Einschätzung der Lage zu abzuliefern.«
Laurenti pfiff durch die Zähne. »Das heißt, Duke ist Mitglied eines Gremiums, das über das Weltgeschehen mitbefindet? Einer von hier? Schwer zu glauben.«
»Warum nicht, Laurenti? Er macht Milliarden mit seinen Fonds. Und vorher war er Wirtschaftsberater an der US-Botschaft in Moskau.«
»Er macht einen völlig normalen Eindruck.«
»Er tut ja nichts Unrechtes. Aber in solch einer Position hat man viele Neider. Und die Linken stürzen sich mit Vorliebe auf solche Menschen. Also, Laurenti, machen Sie sich keine Sorgen, wir werden ein besonderes Auge auf ihn haben. Wir sehen uns dann morgen in Rabuiese. Ich fahr in einer Stunde los.«
Beruhigt war Laurenti nun wirklich nicht. Er gab Pina und Rožman
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