Die Ruhe Des Staerkeren
schicke einen Streifenwagen. Warten Sie an der Grenzlinie. Ich selbst werde solange einen Besuch bei diesem Dean machen und es anschließend als Ausbruch beim Verhör deklarieren, dann steht er auch bei uns zur Fahndung aus.«
»Unser Freund riskiert einiges«, sagte Laurenti auf der Fahrt in die Stadt zurück. »Wenn das rauskommt, steht er in Zukunft in irgendeiner Kleinstadt auf der Straßenkreuzung und regelt den Verkehr.«
Pina nickte nur. Unnötig, daß Laurenti sie darauf hinwies, den Schnabel zu halten.
»Können Sie die Übernahme von Domenico Calamizzi organisieren?« fragte Laurenti, als sie vor der Questura ausstiegen. »Eine Zivilstreife und Sie. Ich habe noch einiges zu erledigen, und hierfür braucht es mich nicht. Lochen Sie ihn ein, vernehmen Sie ihn. Hart. So hart es geht. Schalten Sie auch den Staatsanwalt ein. Sagen Sie, daß Sie zufällig da oben waren, als er die Grenze überschritt. Das gibt Punkte auf ihr Personalkonto. Mordverdacht! Und von den Auswertungen in Ljubljana haben Sie offiziell keine Ahnung. Verstanden?«
»Keine Sorge, Commissario«, sagte Pina, die froh war, endlich alleine zum Zug zu kommen. Sie würde Calamizzi ein tolles Feuer unter dem Arsch entfachen.
»Übrigens, Pina«, Laurenti drehte sich noch einmal um. »Welche Art von Musik hören eigentlich junge Leute wie Sie?«
Pina schaute ihn verblüfft an. Elisa, die Schlagersängerin aus Monfalcone, die es immerhin bis ganz oben in die Charts schaffte, fiel ihr ein, oder Vasco Rossi und Destiny’s Child. Aber Sedem hatte über diese Figuren nur das Gesicht verzogen. Also sagte sie: »Amy Winehouse, Gorillaz mit Z am Schluß, Strokes oder Franz Ferdinand. Indie.«
»Indies?« Laurenti runzelte die Stirn.
»Indipendent«, prahlte Pina. »Oder Swing.«
*
Laura hatte darauf bestanden, daß ihr Mann sie ins »Bollicine« an der Piazza Sant’Antonio begleitete, wo sie sich mit dem Filialleiter ihrer Hausbank und dessen Frau zum Aperitivo verabredet hatte. Laurenti konnte den Schnösel zwar nicht leiden, doch Laura brauchte dessen Dienste manchmal zur Zwischenfinanzierung, wenn sie für ihr Versteigerungshaus größere Nachlässe erwarb. Vor allem aber hatte der Name des Bankers auf der Liste der Nummern aus Marzio Manfredis Mobiltelefon gestanden. Laurenti konnte sich ein solches Treffen nicht entgehen lassen. Dennoch kam er eine Viertelstunde zu spät und mit Einkaufstüten bepackt in das Lokal.
Im Büro war Marietta gerade dabei gewesen, sich für den Abend herzurichten. »Da bist du ja endlich«, sagte sie, zog kräftig ihre Lippen in tiefstem Kirschrot nach und richtete ihre Frisur. »Es ist nichts Neues passiert, die Tagespost liegt auf deinem Schreibtisch.«
»Machst du dich für mich schick?« fragte Laurenti,
»Ich muß endlich meine Besorgungen machen«, sagte sie und öffnete einen weiteren Knopf ihrer schwarzen Bluse, unter der nun die Spitzen ihres Büstenhalters zum Vorschein kamen, Ton in Ton mit ihrem Lippenstift.
»Da wartet wohl so mancher drauf«, sagte Laurenti und wandte sich ab.
»Ich habe so viele Freunde«, seufzte sie und schnappte ihre Handtasche.
»Na, dann hast du ja ordentlich zu tun.«
»Aber noch kein einziges Weihnachtsgeschenk«, sagte Marietta und stöckelte hinaus.
Laurentis Assistentin gehörte zu jenen Menschen, die in der Vorweihnachtszeit keinen Abend zu Hause verstreichen ließen. Er blätterte die aufgelaufene Tagespost durch und fand eine Notiz von Alfieri, daß die unverkohlte Ecke des Reisepasses polnischer Fabrikation war und er aus dem versengtenRest auch einige Zahlen der Seriennummer des Dokuments feststellen konnte, die ersten beiden allerdings fehlten. Von Hand hatte Alfieri noch »Auguri« unter sein Schreiben gesetzt – er hatte also seine Hoffnung auf die Ferien in Cortina doch noch nicht aufgegeben. Einer Anmerkung Mariettas zufolge waren die Daten bereits an Interpol in Lyon sowie die Kollegen in Warschau weitergeleitet. Es blieb also nichts anderes übrig, als abzuwarten.
So beschloß auch Proteo Laurenti, die Zeit bis zum Aperitif zu nutzen, um Weihnachtsgeschenke zu besorgen. Für Laura Handschuhe und einen sündhaft teuren Schal. In der Musikabteilung von Feltrinelli waren die CD-Regale mit Popmusik von jungen Leuten umlagert, das mit den Swing-Scheiben aber völlig leer. Für sich pickte er eine Scheibe der Squirell Nut Zippers mit dem Titel »Bad Businessman« heraus, und für Pina eine von Lavay Smith & Her Red Hot Skillet Lickers mit dem
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