Die Ruhe Des Staerkeren
Titel »I Want A Little Boy«. Er bat die Verkäuferin um die jeweils neuesten Scheiben von den Gorillaz mit Z am Schluß, Amy Winehouse und Franz Ferdinand. Die könnten vielleicht seinen Kindern gefallen. In der Via Genova fand er noch einen putzigen Teddybär, er wäre das erste Geschenk für Patrizias Sohn. Im Geschäft nebenan kaufte er für Galvano und dessen schwarzen Hund eine neue Leine sowie eine Schachtel Beißknochen aus Hafer, die angeblich für schöne Zähne und einen kräftigen Biß sorgten. In der nächsten Buchhandlung auf seinem Weg fand er das Geschenk für seine Mutter, einen Kriminalroman, der in Triest spielte, damit sie endlich seinen Alltag kennenlernte und mehr über diese Stadt erfuhr. Und überall wurden ihm die Wünsche zum frohen Fest hinterhergerufen, Laurenti sehnte sich nach Stille und machte einen Abstecher zu Walter in die »Malabar«. Doch auch dort herrschte Hochbetrieb, und der Freund hatte von Tag zu Tag immer dickere Ringe um die Augen. Laurenti genehmigte sich ein Glas Vitovska, das er viel zu schnell austrank,weil auch hier das Auguri-Gebrüll nicht enden wollte. An einem der Stände auf der Piazza Sant’Antonio erstand er in letzter Minute noch einen hochgeschlossenen Pullover aus falschem Kaschmir für Marietta, damit sie sich nicht erkältete. Völlig abgehetzt kam er schließlich zum Aperitif.
Laura nahm erstaunt zur Kenntnis, daß ihr Mann heute schon Geschenke gekauft hatte. Normalerweise hetzte er erst am Vormittag des vierundzwanzigsten los. Für die wichtigen war ohnehin sie zuständig, und als sie die Tüten musterte, ahnte sie bereits, daß er für sie wie schon so oft wieder einen Schal und Handschuhe gekauft hatte. Nach dem Fest würde sie diese dann heimlich umtauschen.
Laurenti fiel es schwer, den Banker zu ertragen, der ihn ohne Unterlaß vertraulich am Arm faßte oder lachend auf den Rücken klopfte und eine Platitüde nach der anderen abließ, mit denen er ihm den Genuß der kleinen, feinen Gerichte versaute, die der junge Koch Fabio servierte. Er beschloß, dem Spektakel ein Ende zu setzen.
»Kanntest du nicht auch diesen Marzio Manfredi«, fragte Laurenti unvermittelt in den Small talk hinein. Und nun faßte er den Banker am Arm, als wollte er ihn abführen.
Der Mann errötete schlagartig und faßte sich verlegen an die Nase. »Er war mal mein Kunde«, sagte er dann. »Der arme Kerl. Wie laufen die Ermittlungen?«
»So arm kann er nicht gewesen sein«, sagte Laurenti. »Hatte einen Stapel Bargeld zu Hause und zwei Kilo Koks auf dem Scheißhaus. Du wirst es morgen in der Zeitung lesen. Und wir dürfen jetzt alle seine Telefonnummern überprüfen, als hätten wir nicht schon genug zu tun. Was meinst du, weiße Weihnachten wird’s in diesem Jahr wohl nicht geben?« Lachend klopfte er dem Banker viel zu fest auf die Schulter und schaute zum Fenster hinaus.
Der Banker lachte notgedrungen mit, aber die Stimmung war dahin. Er beglich die Rechnung, und unter den üblichen,von Wangenküßchen begleiteten Auguri verabschiedeten sie sich.
»Das ging aber plötzlich schnell«, sagte Laura, als sie alleine am Tresen standen und noch zwei Gläser K&K von Edi Kante bestellten.
»Gott sei Dank«, sagte Proteo. »Ich kann ihn nicht ausstehen.«
»Was hast du zu ihm gesagt, daß er es auf einmal so eilig hatte?«
»Er steht auf der Kundenliste eines Pushers. Und ich habe ihm zu verstehen gegeben, daß ich demnächst dahinterkommen werde.«
»Ach du lieber Gott, Proteo«, sagte Laura. »Ich kann ihn ja auch nicht besonders leiden, aber ich brauch ihn fürs Geschäft.«
»Mach dir keine Sorgen. Ich glaube, er wird dir in Zukunft zu Füßen liegen.«
Laurenti wollte soeben zu Bett gehen, als sein Sohn anrief. Er brauchte endlich ein paar Stunden Schlaf.
»Papà, ich muß dir unbedingt etwas erzählen.« Was war um diese Zeit so wichtig? Marco meldete sich sonst nie von sich aus.
»Sag bloß nicht, daß du Vater wirst«, brummte er.
»Quatsch, aber deine Zwerginspektorin hat einen Liebhaber. Hättest du das gedacht?«
»Was redest du da? Wo bist du überhaupt?« Laute Musik dröhnte im Hintergrund.
»Im Grip, heute abend legen die Motherfuckers auf. Und die Cocktails sind spitze. Ich trinke gerade eine Patanka.«
»Was? Geh gefälligst vor die Tür, ich versteh dich kaum.« Laurenti kannte das Lokal auf dem Colle di San Giusto. Es öffnete nie vor 22 Uhr, und erst ab Mitternacht ging dort die Post ab, bis fünf Uhr morgens. Ein junges Publikum, werüber
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