Die Ruhe Des Staerkeren
dem Kieker«, ergänzte Rožman. »Nach Sežana hat man mich strafversetzt. Zuvor war ich stellvertretender Direktor der Polizeidirektion in Celje. Ich habe vor ein paar Jahren gegen einen Politiker ermittelt, der natürlich bessere Beziehungen hatte als ich. Die Malteserritter sind bei uns ziemlich stark und besetzen höchste Ämter. Ich hätte es wissen müssen, ich war zu idealistisch. Slowenien ist ein sehr übersichtliches Land, jeder kennt jeden. Aber keine Sorge, ganz sind sie mich schließlich nicht losgeworden. Leichtmachen werde ich es ihnen nicht. Und wenn irgendwann die Regierung wechselt, dann bin auch ich wieder im Rennen.«
Pina kaute zum ersten Mal in ihrem Leben an einer Ljubljanska, dem mit Schinken und Käse gefüllten panierten Kalbsschnitzel, das fast so groß war wie sie selbst. Proteo Laurenti hatte sich für Kalbsbraten entschieden, der leichter war und den man ihm nach der Grießknödelsuppe servierte. Er hörte seinem Kollegen aufmerksam zu, vor dem eine prächtige Kalbshaxe dampfte. Die slowenischen Telefonnummern, die Laurenti ihm vorgelegt hatte, waren bereits in Bearbeitung. Noch während des Mittagessens erwartete Rožman die Auswertung. Er erzählte, daß er Domenico Calamizzi am frühen Morgen vernommen hatte, dessen Waffe sich in der ballistischen Untersuchung in Ljubljana befand. Eindeutig, daß daraus geschossen wurde, aber das Projektil, das im Wagenhimmel des Mercedes steckte, stammte auf keinen Fall aus ihr. Gegen Calamizzi lag kaum etwas vor. Tierquälerei ja, doch er behauptete, er habe den Hund verletzt gefunden und sich sofort auf die Suche nach einem Tierarzt gemacht. Da er ortsunkundig war, habe er Vollgas gegeben, um nach Ljubljana zu kommen, wo er kompetente Hilfe leichter zu finden hoffte. Die Erklärung, warum nicht unten in Triest, blieb er schuldig. Über die Herkunft der hundertneunzigtausend Euro in seiner Tasche schwieg er sich ebenfalls aus. Sein Auto befand sich inzwischen in der Hauptstadt, am Nachmittag würde die DNA der Blutspuren und der Knochensplitter vorliegen. Laurenti rief Zerial an und machte Druck, daß dann die Auswertungen von der Leiche in der Triestiner Gerichtsmedizin soweit wären, damit sie sofort abgeglichen werden konnten.
»Ich bin in Koper geboren«, sagte Rožman und gab der Wirtin ein Zeichen, noch eine Karaffe von dem offenen Teran zu bringen, der fast schwarz schillerte. »Das einzige, was bei uns schmerzt, wenn man strafversetzt wird, ist der Kompetenzverlust. Ansonsten ist es fast egal, denn Slowenien besteht ohnehin nur aus Rändern. Die Grenzen nach Ungarn,Österreich und Italien sind heute nacht gefallen, dafür wird die nach Kroatien höher als je zuvor. Ich habe Verwandte in Istrien. Sie können jetzt nicht mehr nur mit dem Personalausweis in die Schengenzone einreisen. Es ist zum Wahnsinnigwerden. Auch die Streitereien zwischen den beiden Ländern um den Verlauf des Hoheitsgebiets werden sich wieder entfachen, wie sie seit der Unabhängigkeit im Jahr 1991 immer wieder hochkochen. Als beide noch zu Jugoslawien gehörten, hatte man sie als Bruderländer nur locker definiert, jetzt reicht das angeblich nicht mehr.«
»Wer hat nach dem Krieg eigentlich den Grenzverlauf um Triest festgelegt?« fragte Pina zwischen zwei Bissen, sie hatte bereits die Hälfte ihrer mächtigen Portion bewältigt. Pina wußte so wenig darüber wie jeder andere, der nicht aus der Gegend stammte und das nötige Alter hatte.
»Ach, das ist eine komplizierte Geschichte, wie alles in dieser Gegend.« Rožman wedelte mit der Hand, als hätte er sich den Mund verbrannt. »Bis 1954 stand das Gebiet um Triest unter alliierter Verwaltung, aufgeteilt in eine Zone A und B. Ein UN-Protektorat namens Free Territory of Trieste, FTT, oder TLT, Territorio Libero di Trieste. 1947 trafen angloamerikanische Landvermesser hier oben auf dem Karst die Entscheidung, wobei sie sich penibel auf die Auswertung der Kataster und Grundbücher stützten. Sie vermaßen jeden Meter Land und markierten den Grenzverlauf mit Pflöcken oder Marksteinen, die nachts dann öfter auf Wanderschaft waren, manchmal nur ein paar Meter. Sprechen Sie einmal mit den alten Leuten, da können Sie die wildesten Geschichten hören. Das TLT umfaßte halb Istrien, samt Buie und Cittanova, das dann unter Tito offiziell in Novigrad umbenannt wurde. Mit dem Memorandum von London aber, das regelte, daß die Zone B an Jugoslawien fiel, mußte der Grenzverlauf südlich von Triest wieder neu definiert werden,
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