Die Ruhe Des Staerkeren
zwei Zicklein zu Ostern. Mit einem Handschlag wurde das Geschäft besiegelt und eine Anzahlung gemacht. Nicht nur der Fisch und das Gemüse im Kofferraum hatten es ihrem Freund angetan, er schien die Einkäufe für den ganzen Haushalt in Jakovce zu bestimmen, und dabei war er so dünn wie ein Hänfling.
»Mit den Optionen ist es ganz einfach«, erklärte Sedem während der Fahrt entlang der Küste, die vor neuen Häusern und Hotels strotzte und wo bald kein Quadratmeter mehr unbebaut sein würde. »Ich habe soeben eine Option auf die Hälfte von einem in einigen Wochen zu schlachtenden Schwein gekauft. Es lebt ja noch, also ist es noch nicht meines. Ich könnte dir meine Anzahlung teurer weiterverkaufen, falls ich es nicht mehr will. Wenn ich aber zu meinem Preis keinen Käufer finde, dann hab ich Geld verloren und muß den Rest bezahlen, wenn es geschlachtet wird.«
»Und wie kriegst du das Fleisch über die Grenze?« fragte Pina, die Einfuhr in die Europäische Union war streng reglementiert, und oft genug schauten hier die Zöllner noch in den Kofferraum.
»Man darf sich nicht erwischen lassen«, sagte Sedem. »Glaubst du etwa, ein Grenzbeamter unterstellt dem Fahrer eines solchen Wagens, daß er nach Kroatien fährt, um Lebensmittel zu kaufen? Schon gar nicht, wenn sich ein behinderter junger Mann auf dem Rücksitz befindet, dessen Rollstuhl im Kofferraum obenauf liegt.«
In Savudrija, der nordwestlichsten Landzunge der istrischen Halbinsel, bat Sedem den Chauffeur, bis zum Leuchtturm zu fahren, dessen Signal nachts noch in Triest zu sehen war. Die Sonne stand bereits tief und würde in einer Stunde im Meer bei Grado versinken, sie färbte den von zerrissenen Kumuluswolken leicht bedeckten Himmel in feurigem Orangerot – die Vorhersagen bis Weihnachten meldeten kühles, aber schönes Wetter mit stark auffrischender Bora.
Pina hängte ein Eisentürchen aus, damit Sedem mit dem Rollstuhl auf die Terrasse eines im Winter geschlossenen Ausflugsrestaurants am Fuße des Leuchtturms fahren konnte.
»Hast du die Hotelanlage dort oben gesehen? Die hat ihre eigene Geschichte«, sagte Sedem. »Sie gleicht den Projekten, die man Duke auf dem Plakat vorwirft. Auch dort wurde das Land zum Spottpreis verkauft, später mysteriöserweise in Bauland umgewandelt, und nach einer spektakulären Pleite, an der Politiker, Banker und ein paar Schattenfiguren aus dem rechten Spektrum Italiens, Österreichs und Kroatiens vermutlich gut verdient haben, von einem internationalen Hotelkonzern übernommen. Diese moderne Form der Landnahme, der Eroberungen, wie man sie Duke unterstellt und wie sie auf kriminelle Art und Weise an vielen anderen Punkten entlang der kroatischen Küste geschieht, ist die zeitgenössische Art der Enteignung. Die Bevölkerung wird vom Ufer zurückgestoßen und somit ganz legal dessen beraubt, womit sie sich eine Zukunft aufbauen könnte. Nur als Kellner und Reinigungspersonal nimmt man sie noch. Doch wer darüber spricht, bringt sich in Gefahr. Hier wird die NeuordnungEuropas, der Umverteilungsprozeß, am deutlichsten sichtbar. Du wirst sehen, sobald er abgeschlossen ist, wird Kroatien in die EU aufgenommen.«
»Weshalb nicht früher? Wirtschaftlich steht Kroatien doch besser da als die Rumänen und die Bulgaren«, fragte Pina. Natürlich hatte sie auch in Triest mehrfach von diesen Machenschaften gehört. Immerhin saßen in der Stadt genug clevere Geschäftsleute, die ihre alten Verbindungen über die Grenze nutzten. Der Krieg war nur offiziell vorbei, die alten Seilschaften aber blieben bestehen, solange ihre Protagonisten freie Hand hatten. Früher hatte man von hier aus den Waffenschmuggel organisiert und die Umgehung des UN-Embargos, später beteiligte man sich am Ausverkauf des Landes.
»Weil danach die europäischen Gesetze gelten, doch sie werden wohl kaum auf bereits geschaffene Tatsachen angewendet. Es sind ja nicht nur die Grundstücke, schau dir nur an, in wessen Händen sich die Energie- und Wasserversorgung befindet oder das Kommunikationswesen. Brüssel forderte Privatisierungen im Tourismusbereich, aber Kroaten sind kaum unter den neuen Eigentümern. Keine Ahnung, wieviel Geld da im Hintergrund wirklich geflossen ist.«
»Und warum tut niemand etwas dagegen?« fragte Pina.
»Die Politiker, die sich selbst glauben, wenn sie vom Erhalt der Vielfalt reden, sind Knallköpfe. Die Realität sieht genau anders aus. Es wird Zeit, dagegen vorzugehen. Diese ›Istria libera‹-Gruppe ist mir
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