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Die Ruhe Des Staerkeren

Die Ruhe Des Staerkeren

Titel: Die Ruhe Des Staerkeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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sympathisch. Wenn sie nicht einen so saublöden Namen trüge, der nur an alte Klischees erinnert, würde ich Kontakt suchen und sie unterstützen. Aber vielleicht ist es die einzige Möglichkeit, Aufsehen zu erregen.«
     
    *
     
    Dean ging in die leeren Stallungen und belud den allradgetriebenen Range Rover mit italienischem Kennzeichen, den bis heute niemand vermißte. Er hatte ihn vor zwei Jahren behalten, nachdem er den Leichnam seines Besitzers am Rand einer Waldschneise bei Lipizza verscharrt und eine junge Tanne auf das Grab gepflanzt hatte. Er kannte den Mann nicht, den er im Auftrag von Mervec umgelegt hatte, doch aus dessen Papieren ging hervor, daß es sich um einen in Mailand ansässigen Albaner handelte. Äußerst unwahrscheinlich, daß jemand, der ihn vermißte, zur Polizei ging. Von Mervec kassierte Dean danach zwanzigtausend Euro.
    Dean lud einen zehn Kilo schweren Stein in den Kofferraum, um den er ein Transportband gezurrt hatte, an dem drei Handgranaten aus Sowjetbeständen baumelten, von denen er noch fünf Kisten eingelagert hatte. Er warf eine Plane darüber, legte eine Motorsäge und ein paar Seile darauf, Arbeitshandschuhe, Schutzbrille und Schuhe mit verstärkter Schutzkappe, wie sie Waldarbeiter benutzten.
    Es war Viertel vor drei, als er sich umzog, doch Dean ließ sich Zeit. Er hatte nicht die geringste Absicht, das Festzelt als erster zu betreten. Den dunklen Anzug, den er aus dem Schrank holte, hatte er extra für diesen Anlaß gekauft und ihn in der Änderungsschneiderei auf seine Maße nähen lassen, denn das Jackett paßte zwar an den Schultern, schloß aber nicht über seinem Bauch. Und die Hosenbeine waren viel zu lang gewesen, wenn der Bund unter seiner Wampe weit genug war. Stangenware! Die Schneiderin hatte ein Kunststück vollbracht. All die bessere Kleidung im Schrank stammte noch aus den Zeiten, als er mehr Bewegung hatte und weniger Schnaps soff. Wenn er erst wieder abnähme, hätte er eine perfekte Garderobe. Er wählte eine Krawatte, die dem kritischen Auge modebewußter Betrachter nicht genügen konnte, und prüfte vor dem Spiegel, ob die Pistole im Hosenbund nicht zu sehr auftrug. Selbst seine Schuhe hatteer eingefettet und auf Hochglanz poliert, daß sie fast glänzten wie neu. Dean war zufrieden, er sah aus wie der Bürgermeister einer Landgemeinde, der wußte, wie sich mit seinem Bauernhof zu Hause die Subventionen der EU üppig melken ließen. Im vereinten Europa war der persönliche Geschmack etwas, das sich nicht normieren ließ. Ein Blick ins Fernsehen genügte.
    Dean steckte die Akkreditierung und die Parkberechtigung in die Innentasche, schloß das Haus ab und fuhr vom Hof. In zwanzig Minuten würde die Zeremonie beginnen, doch er mußte nur den Parkplatz pünktlich erreichen.
    Kurz vor halb vier zeigte er dem Uniformierten seine Durchfahrtsberechtigung. Freundlich beschrieb der Mann den Weg, den er fahren sollte. Noch zweimal mußte er die blaue Karte ans Fenster halten, bis er den Wagen endlich auf dem VIP-Parkplatz im Niemandsland abstellen konnte. Die Autos um ihn herum waren ausnahmslos frisch gewaschen, und jedes einzelne kostete ein Vermögen. An manchen lehnten Fahrer, denen er von weitem ansah, daß sie bewaffnet waren. Einige kannte er von früher. Dean stieg aus, begrüßte alte Bekannte, und auf Nachfragen erklärte er, daß auch er für die Sicherheit eines prominenten Gastes verantwortlich sei. In längere Gespräche jedoch ließ er sich nicht verwickeln.
     
    Grenzübergänge sind schäbig, schmucklose Zweckbauten, bei denen man den Geruch in den Büros von außen ahnt. Wegen der Feierlichkeiten hatte man ein riesiges weißes Festzelt errichtet, auf dessen Rückseite falsche Palmen voluminöse Edelstahlröhren tarnten, die Heizluft hineinpumpten. Uniformierte Beamte beider Länder standen herum und sprachen in knarrende Funkgeräte. Eine Limousine nach der anderen fuhr vor und entfernte sich sogleich wieder, während sich die Insassen unter dem Schwenk der Fernsehkameras auf dem breiten roten Teppich zum blumengeschmückten Eingangdes Festzelts begaben. Die Journalisten trugen die Akkreditierungsbestätigung am Revers und beobachteten die eintreffenden Honoratioren und ihre Begleiterinnen, als handelte es sich um ein Schaulaufen der Pelzmantelmode vergangener Jahrzehnte. Absperrgitter sollten den Zutritt des Fußvolks verhindern, doch nur wenige Schaulustige hatten sich eingefunden. Einige beschwerten sich, daß die Bevölkerung von dieser

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