Die Runen der Erde - Covenant 07
Leben kosten könnten. Sicherlich war auch das Land einst die Heimat ähnlicher Wunder.«
Linden war zu Tränen gerührt; sie konnte den brennenden Schmerz, den er in ihr ausgelöst hatte, nicht unterdrücken. Er hatte einen kurzen Blick auf etwas erhascht, das alle Bewohner des Landes jederzeit hätten sehen können sollen. Da er nicht wusste, was sein Volk verloren hatte, betrauerte er diesen Verlust nicht wie sie. Trotzdem war der Verlust real und abscheulich. Sie wollte es seiner Ehrlichkeit gleichtun, selbst wenn sie ihn damit in Gefahr brachte.
»Liand ...« Sie wischte sich grob die Tränen aus den Augen. »Ich kann dir jetzt nicht alles erklären. Nicht hier ...« Wo irgendein Haruchai sie belauschen konnte. »Aber ich bin in Not und brauche Hilfe. Ich habe die Meister vor langer Zeit gekannt. Sie erinnern sich an mich. Damals waren sie meine Freunde, aber ich glaube nicht, dass ich ihnen jetzt trauen darf. Sie haben sich verändert. Ich möchte alles hören, was du mir über sie erzählen kannst.«
Anele schnaubte anscheinend verächtlich, aber er sagte nichts.
Liand starrte sie besorgt an. »Das verstehe ich nicht«, gestand er. »Deine Kenntnis von ihnen reicht sicherlich tiefer als meine. Sie antworten selten auf unsere Fragen. In der Tat sprechen sie selten. Ich weiß nur, was ganz Steinhausen Mithil weiß – und das ist sehr wenig. Es gibt einen Ort, den sie Schwelgenstein nennen, aber was er ist oder wo er liegt, sagen sie nicht. Von Zeit zu Zeit reisen sie dorthin und kehren wieder zurück.« Nach kurzer Pause schloss er: »Ich habe keine Veränderung an ihnen wahrgenommen.«
Sie seufzte. »Also gut, ich will dich anders fragen. Was weißt du über Lord Foul den Verächter?« Sie suchte sein Gesicht ab. »Den Grauen Schlächter? Die Meister nennen ihn den Verderber.«
An der Rückwand des Raums fuhr Anele zusammen, dann verbarg er den Kopf in den Armen.
Der Steinhausener runzelte verständnislos die Stirn. »Ich fürchte, ich weiß nichts. Diese Namen habe ich noch nie gehört.«
»Da hast du es!«, sagte Linden verbittert. »Das ist mein Problem. Das Land hat einen alten Feind. Ist er nicht unsterblich, könnte er es genauso gut sein. Im Lauf der Jahrhunderte ...« Jahrtausende! »... hat er mehr Schaden angerichtet, als ich jemals schildern könnte. Und du hast noch nie von ihm gehört. Die Meister wissen mehr über ihn als ich, und ich kenne ihn nur allzu verdammt gut.« Der Verächter hatte in ihr ein Echo seiner selbst entdeckt und sie damit fast vernichtet. »Er ist hier. Er ist noch immer hier. Aber sie reden nicht über ihn.« Linden schlang die Arme um ihren Oberkörper, dann sah sie den Steinhausener offen an. »Das macht mir schreckliche Angst.« Sie seufzte. Stave hatte ihr seine Einstellung offen dargelegt; trotzdem konnte Linden sie noch immer nicht begreifen.
»Dieser Lord Foul«, fragte Liand unsicher, »dieser Verächter? Er ist weiter unter uns? Was hat er getan?«
Linden konnte ihre Angst und ihren Zorn nicht länger im Zaum halten. »Er hat meinen Sohn in seine Gewalt gebracht«, fauchte sie.
Ihre Worte schienen den Steinhausener zu erschrecken. Er setzte sich aufrechter hin; verschränkte die Arme vor der Brust. Besorgnis verdunkelte seinen offenen Blick.
Anele wimmerte leise vor sich hin, als fürchte er, belauscht zu werden.
»Das ist mein Problem«, wiederholte sie. »Lord Foul hat meinen Sohn, und du hast noch nie von ihm gehört. Die Meister wollen, dass ihr unwissend bleibt. Sie glauben, das Land allein verteidigen zu können, obwohl sie dem Verächter nicht gewachsen sind. Ich muss meinen Sohn finden. Dazu brauche ich Hilfe. Aber ich habe Stave nicht von ihm erzählt. Ich will mir die Meister nicht zu Feinden machen. Wüssten sie die Wahrheit ... was ich tun muss ...« Sie war bereits zu der Überzeugung gelangt, Jeremiah nicht ohne Erdkraft und den Stab des Gesetzes finden zu können. »Ich fürchte, dass sie versuchen würden, mich daran zu hindern.« Ruhiger fügte sie hinzu: »Ich muss Entscheidungen treffen. Ich darf nicht nur hier herumsitzen.« Und Anele musste wieder freikommen. »Alles, was du mir vielleicht erzählen kannst, kann mir helfen, einen Entschluss zu fassen.«
Liand, der sichtlich ratlos war, ließ die Arme sinken und breitete die Hände aus. »Linden Avery, ich weiß nicht, was ich antworten soll. Für mich wie für mein ganzes Volk sind die Meister schon immer so gewesen, wie sie jetzt sind. Wie ich erwähnt habe, sind sie von Zeit zu
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