Die Runen der Erde - Covenant 07
Südlandebenen – und auch mir – fremd, und ich hungere danach, Neues zu erfahren.«
Während er sprach, sammelte Linden neue Kräfte. Sie spürte sein natürliches Taktgefühl, seine instinktive Rücksichtnahme: Die improvisierte Rechtfertigung seiner Anwesenheit gab ihr Zeit, sich vorzubereiten. Er mochte sich unbeholfen vorkommen, aber er erschien nicht so. Stattdessen wirkte er spontan liebenswürdig. Dieser Gegensatz zu Stave und den anderen Haruchai ermunterte sie dazu, ihren Mut zu sammeln. »Danke, Liand«, sagte sie, als sie wieder leichter atmen konnte. »Ich freue mich, dass du bereit bist, mit mir zu reden.«
Anele wandte sich ab, als interessiere der Steinhausener ihn nicht mehr, und nahm wieder seinen Platz an der Rückwand des Raums ein.
»Oh, dazu bin ich gewisslich bereit.« Liands Stimme war ein kräftiger Bariton voller Konzentration und Wissensdurst. »Deine Sprache klingt in meinen Ohren fremd, und dein Gewand gleicht keinem, das ich je gesehen habe. Ich brenne darauf, dir zu erzählen, was ich weiß.«
»Danke«, wiederholte sie. Unabsichtlich hatte sie sich die Möglichkeit verschafft, einen ersten Schritt zur Lösung ihrer unmittelbaren Probleme zu tun. Während sie noch überlegte, wie sie weiter vorgehen sollte, versuchte sie, sein Gesicht deutlicher zu sehen; aber das Halbdunkel in dem Raum verschleierte seine Züge, verwischte sie fast bis zur Unkenntlichkeit. Zaghaft fragte sie: »Kannst du mehr Licht hereinlassen? Die Meister wollen Anele nicht freilassen, und ich habe versprochen, ihn nicht zu verlassen. Aber ich möchte dich sehen können.«
»Gewiss.« Liand griff nach einer Seite des Türrahmens, fand einen Haken, der dort für diesen Zweck angebracht sein musste, und hängte den Vorhang darüber. »Reicht das?«
Das Sonnenlicht fiel nicht sehr weit in den Raum hinein, aber genügend reflektiertes Licht füllte ihn aus und machte ihn erheblich heller.
»Das tut es bestimmt ...« Linden lächelte matt. »... sobald wir uns hinsetzen.« Sie ließ sich zu Boden sinken und wies ihm mit einer Handbewegung einen Platz in der Nähe der Tür an. »Anele und ich haben gestern einiges durchgemacht«, erklärte sie ihm so neutral wie möglich. »Ich bin noch nicht wieder richtig bei Kräften.«
Als Liand gehorchte, ließ das Licht ihn deutlich erkennen. Er war ein junger Mann, vielleicht halb so alt wie Linden, mit breiten Schultern und kräftigen Bauernhänden, der ein Wams und Beinkleider aus sandfarben gefärbter grober Schurwolle trug. Dicke Ledersandalen schützten seine Füße. Seine Gesichtszüge erinnerten sie entfernt an Sunder, den einzigen Steinhausener, den sie gut gekannt hatte. Liand besaß Sunders treuherzigen Freimut – ohne den Kummer und die Schuldgefühle, die die naive Schlichtheit ihres Freundes kompliziert hatten. Und als typischer Steinhausener war er braunäugig. Über dem kantigen Kinn, der nicht sonderlich klar definierten Nase und dem wissbegierigen Blick waren die Augenbrauen und das zerzauste Haar erstaunlich schwarz, schwarz wie Rabenschwingen. Sein Mund schien zum Lächeln gemacht zu sein; jetzt lächelte er jedoch nicht.
»Ich war Zeuge eurer Gefangennahme«, erklärte er Linden ernst. »Die Meister haben euch nicht sehr zart behandelt. Und ich kann mir nicht vorstellen, was ihr beim Einsturz des Kevinsblicks erlitten habt. Tatsächlich weiß ich nicht, wieso ihr überhaupt noch lebt.« Er senkte den Blick. »Vielleicht verstehen die Meister dieses Wunder, aber sie beantworten nur selten Fragen – und nie zu Ereignissen, die über unsere Erfahrungen hinausgehen. Um eure Gefangenschaft zu rechtfertigen, sagen sie nur, dass Anele ihre Fürsorge braucht und du dich gegen sie gestellt hast.«
Er brauchte nicht hinzuzufügen, dass er danach lechzte, eine bessere Erklärung zu hören. Seine Aufregung zeigte sich deutlich in der gespielten Entspanntheit seiner Haltung und der Art, wie er seine Hände rasch zu Fäusten ballte und die Finger wieder streckte. Aber Linden war nicht bereit, ihn in Gefahr zu bringen. Alles, was sie ihm erzählte, konnte die Haruchai gegen ihn aufbringen. Teufel, sie konnten sogar beschließen, ihn wie Anele zu behandeln. Solchen Risiken durfte sie ihn nicht aussetzen – noch nicht. Außerdem wusste sie nicht, ob er wirklich so harmlos war, wie er zu sein schien. Ihr Sinn für das Gesunde, den sie zurückgewonnen und wieder eingebüßt hatte, hätte Liands wahres Wesen erkannt. Ohne ihn musste sie vorsichtiger sein.
»Darüber
Weitere Kostenlose Bücher